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Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)

Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)

Titel: Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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Geist auftauchen.
     
    „Willkommen, teuerster Freund, ich habe so lange auf Euch gewartet. Seid Euch meiner Zuneigung gewiss. Wollt Ihr mir die Eure beweisen?“
     
    Corbinian erschrak. Diese Stimme klang so sanft und eindringlich wie eine Melodie, die sich in seinem Gedächtnis festsetzte. 
    „Was soll ich tun?“, fragte er erstaunt und kam sich dabei komisch vor, mit einer Wand zu reden. Sicherheitshalber blickte er sich um, aber da waren nur seine Fußspuren im Staub auf dem Boden. Hier unten war keine Menschenseele. 
     
    „Öffnet die geheime Tür an der Wand gegenüber mit dem Medaillon, das mein Bild zeigt und folgt den Stufen hinab“,  sagte die fremde Stimme in seinem Kopf.  
     
    Der junge Mann wandte sich um und ging zu der Wand, in deren Mauer er eine ovale Vertiefung erblickte. Er legte das Bild dort hinein und ein scharrendes Geräusch ertönte, als eine schmale Tür sich vor ihm öffnete. Corbinian ging vorsichtig die Treppe hinab, die eine Biegung machte und zu einem Raum führte, in dessen Mitte ein Sarg stand. Dieser übergroße Sarg sah aus wie neu, glänzend, schwarz mit goldenen Beschlägen, die Löwenköpfe zeigten. 
    „Öffnet ihn!“,  befahl die Stimme ungeduldig.
     
    Corbinian stellte die Fackel in eine der eisernen Wandhalterungen und tat, wie ihm geheißen, auch wenn seine Hände zitterten. Der schwere Deckel ließ sich erstaunlich leicht anheben. Ein schwerer, süßlicher Duft schlug ihm entgegen. 
    Auf dem weißen gerafften Satin lag er, der Mann, den er schon aus seinen Träumen kannte. So bleich, dass die Lippen sich kaum von der Hautfarbe unterschieden. Die schönen Augen geschlossen, das Haar in leichten Wellen bis zur Schulter reichend. Er trug den altmodischen Anzug eines Chevaliers aus schwerem, dunkelblauem Samt mit Goldlitzen verziert, wie man ihn im letzten Jahrhundert getragen hatte. Ein weißes Rüschenhemd darunter, das am Hals kunstvoll zu einem Knoten gebunden war. Den Ringfinger der linken Hand zierte ein Siegelring, der einen Greifen zeigte. Er kannte dieses Wappen bereits. Die Hände des Verstorbenen waren beide über der Brust gekreuzt. Ein Degen lag zu seiner Linken. 
    „Dominic“, kam es wie ein Seufzen über Corbinians Lippen. Er selbst kam sich vor wie in einem seiner Träume, die unvermittelt real wurden.
     
    „Endlich hast du mich gefunden, Liebster. Nun folge deinem Herzen und hole mich zu dir in deine Welt. Nur ein paar Tropfen deines Blutes auf meinen Lippen. Du hast doch bereits von mir gekostet.“
     
    Wie in Trance griff Corbinian nach dem Schaft des Degens und zog die silberne Klinge aus der Scheide. Vorsichtig prüfte er die Schärfe des Stahls, der schon bei der ersten Berührung seine weiche Haut aufritzte. Ein leiser Schmerzenslaut durchbrach die Stille. Mit seinen blutigen Fingern strich er vorsichtig über die Lippen des reglos daliegenden Vicomtes. Dann wartete er ab.
    Nach einer kleinen Weile schlug dieser die Augen auf. Corbinian wollte instinktiv zurückweichen, doch blitzschnell hatte der Mann aus dem Sarg seine Hand gepackt, führte sie an seinen Mund. Er küsste die blutige Wunde, und diese Berührung ließ den jungen Mann erbeben. Sein ganzer Körper schien auf diesen Moment gewartet zu haben.
     
    * * *
     
    Dominic de Harcourt zögerte keinen Augenblick länger. Zulange hatte er hier ausgeharrt, um sich zu nehmen, was ihm zustand: das Glück mit seinem Auserwählten, dem Sohn seiner ehemaligen Geliebten. Was das Schicksal ihm vor langer Zeit verwehrt hatte, würde er sich heute nehmen. 
    „Bist du bereit für die ewige Liebe?“, fragte er Corbinian leise. 
    Hin- und her gerissen zwischen Angst und Sehnsucht blickte er den Adeligen an, der sich da aus seiner letzten Ruhestätte erhob. 
    „Fürchte dich nicht“, beruhigte dieser ihn. „Dies hier ist das Schloss meiner Ahnen, meine Zufluchtstätte. Zugegeben, es steht nicht mehr an dem Ort, an dem es mal gestanden hat, aber nur hier können wir auf ewig vereint sein, Raphael.“ 
    Zum ersten Mal hörte der hübsche Waisenknabe seinen zweiten Vornamen aus dem Mund des Vicomtes, so zärtlich ausgesprochen, wie vor langer Zeit zu einer Frau. Dominic stand nun vor ihm. Er legte seine Hände um Corbinians Taille und zog ihn zu sich heran. 
    „Du bist schon sehr lange hier, mein Engel, die Welt da draußen hat dich längst vergessen“, flüsterte er in sein Ohr. 
    „Was ist mit meinem Vater geschehen?“, wollte Corbinian stotternd wissen. Mit einem

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