Desiderium
ihren Höhepunkt.
»Was soll das heißen?«, fragte er mit zusammengekniffenen Zähnen. Er hörte, dass sie dieselbe Frage gleichzeitig stellte, beachtete es jedoch nicht.
Genauso ignorierte Darragh sein Entsetzen: »Du, Cassim, musst trainieren. Um länger hier bleiben zu können, um besser arbeiten zu können, um besser verstehen zu können, was du hier tust. Alleine ist es jedoch so gut wie unmöglich. Du brauchst jemanden, der dich trainiert. Früher konnte ich das noch tun, aber mittlerweile hat keiner der Eingeweihten mehr die Macht oder die Zeit, dir zu helfen. Jaron hingegen ist nirgendwo eingebunden, hat selten Verpflichtungen. Dafür kennt er das Gelände wie kaum einer und er ist auch nicht so dumm wie er manchmal aussehen mag.« Das verbesserte Jarons Laune nicht gerade. »Unter der Anleitung der Eingeweihten, insbesondere meiner, wird er mit dir trainieren.«
Es war ein Gefühl, als würde ihn eine wilde Herde überrennen: »Moment mal!« Es fiel ihm schwer, das Bedürfnis, auf seinen besten Freund einzuschlagen, zu kontrollieren. »Von einer solchen Zusammenarbeit, von diesem direkten Miteinbeziehen war nie die Rede. Du hast gesagt, ich soll mitkommen, weil es in gewisser Weise um Lillian gehe!«
»Betrachte es als Sicherheitsmaßnahme. Sollte sich herausstellen, dass unsere Vermutungen stimmen, kann jeder von uns, auch Lillian, in Gefahr sein, wenn Cassim nicht bereit ist. Deshalb glaube ich, dass du es durchaus überleben wirst, deine Freundin ein wenig seltener zu sehen.«
Es grenzte an ein Wunder, dass Jaron ihn für sein spöttisches Lächeln nicht tatsächlich niederschlug. Als ob es nur darum ginge, dass er in Zukunft offenbar wen iger Zeit für Lillian haben würde. Das war vermutlich das Geringste seiner Probleme.
Aber er war es nicht, der sich zu diesem Plan äußerte, sondern der Mann mit den langen Haaren, den Cassim als Monsieur Chevalier vo rgestellt hatte: »Alles in allem halte ich es allerdings für keine gute Idee, Außenstehende für eine so wichtige Aufgabe mit einzubeziehen. Auch wenn er dank Ihnen mit Sicherheit bereits das Nötigste weiß. Es muss bessere Wege geben.«
» Aber Ihr Einfluss ist in dieser Welt deutlich geringer, falls sie überhaupt in ihrer Welt befugt sind, wichtige Entscheidungen zu treffen«, erwiderte Darragh mit einem deutlich bissigen Unterton. Seine Haltung versteifte sich, nahm etwas Bedrohliches an. »Nach all den Jahren dürfte bekannt sein, dass auch bei uns kein Eingeweihter jemals etwas tun würde, was einem Angehörigen der Blutlinie schaden würde. Ich weiß, was ich tue, wenn ich Jaron für diese Aufgabe vorschlage.«
»Genau genommen …« Cassim stützte ihr Gewicht auf dem rechten Bein. Sie hatte ihre Hände in den Hosentaschen vergraben. Auch in ihrem Blick war eine Spur Spott, doch in ihrem Fall galt er nicht ihm – oder nicht nur. »Hast du ihn nicht vorgeschlagen, sondern uns vor vol lendete Tatsachen gesetzt, was deinen Freund nicht sonderlich zu begeistern scheint.«
»Er ist die beste Wahl«, erwiderte Darragh schulterzuckend. Das spött ische Lächeln war etwas anderem gewichen. Hätte Jaron es nicht besser gewusst, hätte er geschworen, dass ihm ihre Art gefiel.
»Aber …« Monsieur Chevalier.
Eine Zeit lang sah Jaron den beiden Eingeweihten dabei zu, wie sie über seine und Cassims gemeinsame – das Wort allein bereitete ihm Grauen – Zukunft diskutierten. Dabei warfen sie weder ihm noch ihr auch nur einen Blick zu, Meinungen waren nicht gefragt.
Bereits nach wenigen Augenblicken war ihm klar, dass Darragh der deutlich Überlegene war. Er ließ seinen Gegenüber selten aussprechen oder überhaupt zu Wort kommen. Der tiefe Ton seiner Stimme sch ien in der Luft zu vibrieren. Darragh war von seiner Idee, ihn als Cassims Trainer einzusetzen vollkommen überzeugt. Er würde nicht aufgeben, bis er sein Ziel erreicht hatte.
*
Da ich keinen Sinn darin sah, länger bei ihnen zu bleiben, ohne Monsieur Chevalier jedoch nicht zurückgehen konnte, machte ich mich in die andere Richtung auf. Wieder weiter in die Welt der Sehnsüchte hinein.
Jaron bemerkte durchaus, dass ich abhauen wollte. Und obwohl es nicht zu seinem sonstigen Verhalten passte, trat er vor, versperrte mir den Weg und sagte leise: »Zwanzig Minuten Irrenhaus oder durch die Pampa mit mir? Alleine verläufst du dich. Deine Entscheidung.«
»Du brauchst nur selber einen Grund, wegzukommen.«
Beinahe sah es so aus als wolle er über meine Bemerkung lächeln,
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