Desiderium
ich auf Anzeichen achten.«
»Die Musik ist magisch«, erinnerte ich mich; etwas, dass er gefühlt jede Stunde fünf Mal gesagt hatte.
»Musik kann Sehnsucht offenbaren. Nicht nur bei denen, die sie vermitteln wollen, sondern auch bei denen, die sie hören«, bestätigte er nickend. »Du hast es mir allerdings schwer gemacht, meine Aufgabe zu erfüllen, als du dich geweigert hast, weiterhin zu kommen. Deshalb hätte ich nicht unbedingt erwartet, dass man mir wichtigere Aufgaben zuteilt.«
»Wie mich zu begleiten.«
Zur Antwort machte er mir den Weg zum Portal frei.
Wie schon beim letzten Mal lenkte sich mein Blick so schnell wie möglich auf das Leuchten, das mich in eine andere Welt einlud. Ein Mann, offenbar ein weiterer Eingeweihter, wartete wortlos auf uns. Trotz der Tatsache, dass wir uns in einem Keller befanden, hatte er einen Hut auf dem Kopf. Mit beiden Händen hielt er das Buch der Eingeweihten wie einen wertvollen Schatz umklammert.
»Was macht er hier?«, fragte ich Monsieur Chevalier mit schiefem Blick. Ich hielt es nicht für nötig, den Mann zu begrüßen, geschweige denn mehr mit ihm zu reden.
»Er soll bezeugen, dass wir uns mit den Eingeweihten der anderen Welt treffen. Es ist ein durchaus wichtiger Bestandteil der Einführung, weshalb eigentlich dein Großvater dabei sein wollte, aber er fühlte sich nicht im Stande, dich zu begleiten. Sein Herz …«
Damit hatte sich das auch geklärt.
»Gibt es sonst noch etwas, das ich tun muss, bevor wir gehen?«
Monsieur Chevalier schüttelte den Kopf.
Als ich mich dem Portal zuwandte, trat der andere Eingeweihte zur Seite. Sofort verstärkte sich die Anziehungskraft. Das Gefühl der Leere zog sich um mein Herz zusammen. Mein Körper kribbelte.
Aber noch wartete ich auf Monsieur Chevalier. Ohne mich würde er schließlich zurück bleiben müssen.
»Sind Sie bereit?«, fragte ich ihn mit belegter Stimme, bis er meine Hand ergriff;
Es fiel mir alles andere als schwer, mich endgültig von dem Spiegel einnehmen zu lassen. Die Luft wirbelte um mich herum, durchströmte mich. Wieder nahm der Leuchten zu, bis es in den Augen hätte brennen müssen. Die Oberfläche verschwamm; ich glaubte, Schemen zu sehen. Gestalten, Menschen, aber ich konnte keine Details wahrnehmen, dazu waren sie zu schwach. Ein Ruck ging durch meinen Körper, dann wurden wir hinübergezogen.
Wir landeten vor der steinernen Überdachung.
»Alles in Ordnung?«, fragte meine Begleitung neben mir, während er sich den Staub von der Kleidung klopfte.
»Ja!« Selbstverständlich, fügte ich in Gedanken hinzu. »Ich frag mich nur, wo genau wir die übrigen Eingeweihten treffen. Ich sehe nichts, was diesem ach so wichtigen Event angemessen sein könnte.« Willkommen zurück, Sarkasmus.
Monsieur Chevalier blieb ernst, seine Nervosität schien mittlerweile nachzulassen. »Es würde zu lange dauern, in eine der Städte zu gehen. Deshalb treffen wir uns, laut deinem Großvater, dort drüben auf dem Hügel.«
»Immer auf den best möglichen Nutz en aus, diese Eingeweihten. Wie vorbildlich!«
Der Hügel sah genauso trostlos aus wie die gesamte Umgebung am vergangenen Tag. Lediglich die Farben hatten an Intensität gewonnen.
Auf der Spitze erwarteten uns vier Sehnsüchte – allesamt Männer. Frauen waren in dieser Eingeweihtensache ganz offensichtlich nicht sonderlich emanzipiert.
Die zwei, die vorne standen waren keine Geringeren als Ölprinz Darragh und Monsieur Todesblick Jaron.
Was für ein Zufall!
Ölprinz hatte eine ernste Miene aufgesetzt. Er trug vornehme, bunt bestickte Kleidung, die deutlich zu altmodisch für sein Alter war – es fehlte nur noch die weiß gepuderte Perücke. Um die Hüften hatte er einen Gürtel geschnallt, an dessen linker Seite eine schwarze mit Schnörkeln verzierte Schwertscheide hing.
Ich wurde den Verdacht nicht los, dass sie nicht nur ein Accessoire war. Keine Sekunde lang zweifelte ich daran, dass er nicht zögern würde, diese Waffe notfalls einzusetzen. Auch wenn mir nicht klar war, gegen wen genau er sie richten sollte.
Höchst sympathische Erscheinung!
Jaron hingegen hatte seine Kleidung vom Vortag gegen knielange Shorts und ein neongrünes T- Shirt mit V- Ausschnitt getauscht. Seine blonden Haare waren feucht, vermutlich der Grund, weshalb sie dieses Mal nicht verstrubbelt waren. Alles in allem hatte er nichts von der Sorte Jungen verloren, vor denen man sein halbes Leben lang gewarnt wird. Groß, schlank, selbstsicher, ein arroganter Zug um
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