Desiderium
Holz, viele hatten einen großen Garten oder eine eigene Scheune. Autos sah ich kein Einziges, nur Pferde, Karren und ein Fahrrad.
Auf dem großen Marktplatz priesen Verkäufer mit lauter Stimme ihre Waren an. Lebensmittelpunkt schien ein kreisrunder, tiefer Brunnen zu sein, um den sich die Leute scharrten. Fließendes Wasser gab es zwar, aber nicht in allen Haushalten.
»Wenn ich’s mir so überlege, stand deine Tante wohl nicht so auf das 21. Jahrhundert«, murmelte Jaron.
Gleichzeitig fragte ich mich, wie lange es gedauert hatte, bis die ganze Welt sich nach ihren Vorstellungen verändert hatte, ohne dass sie zu sehr die einzelnen Sehnsüchte angegriffen hatte.
Jaron und Darragh führten mich weg vom Brunnen in eine nahegeleg ene, großzügig ausgebaute Bibliothek. Auch hier waren Wände aus Holz. Ein muffiger, schwerer Geruch hing in der Luft. Die Regale reichten bis zur Decke. Auf manchen Tischen lagen einige Bücher, die sich selbst aufschlugen, nach einiger Zeit umblätterten und sich schließlich selbst wieder in den Regalen verstauten, ehe das nächste Buch kam.
Etwas planlos machten wir uns daran, die einzelnen Abteilungen nach Büchern zu durchsuchen, die uns weiterhelfen konnten. Man wusste ja nie, was meine Vorfahren hinterlassen oder Sehnsüchte g etan hatten.
»Wie kommt es, dass es überhaupt eine so gut gefüllte Bibliothek gibt?«, fragte ich Darragh, als ich die Regalreihen mit Science- Fiction- Romanen verließ.
»Aus demselben Grund, aus dem es in einer südlicheren Stadt Vampire und all die anderen Fantasiewesen gibt.«
Passenderweise hatte ich gerade Bram Stoker’s Dracula in der Hand. »Das ist ein Scherz, oder? Es gibt hier Vampire?!«
Von nebenan hörte ich Jaron lachen. Er schob einige Bücher beiseite und steckte den Kopf durch das Regal. Dabei zerdrückte er mit den Ellebogen beinahe eine alt aussehende Ausgabe von Stolz & Vorurteil . Wenn Alice das sehen würde …
» Natürlich! Mit dunkler Kleidung, einer Frisur wie die von Darragh.« Wieder lachte er. »blasse Haut, Angst vor der Sonne, einer Schwäche für schöne, junge Frauen – die ich nachvollziehen kann – und nicht zu vergessen den spitzen Zähnen und dem Verlangen nach Blut.« So wie er lächelte, hielt ich es für unnötig zu erwähnen, dass es inzwischen sogar Versionen gab, in denen Vampire in die Sonne gingen und glitzerten. Meine Schwester hatte mir die Geschichte geschätzte einhundert Mal erzählt.
»Diese Stadt wird wohl von weiblichen Teenagern kontrolliert«, murmelte ich. »Aber eine Sehnsucht nach gutaussehenden, gefährlichen Wesen erklärt nicht ganz, warum es hier so viele Bücher gibt.«
»O doch . Diese Wesen stammen aus Büchern, es ist eine Art von Sehnsucht, die eine Fluchtmöglichkeit darstellt. Im Nachbarhaus wirst du eine ebenso große Sammlung an DVDs mit demselben Zweck finden«, ließ wiederum Darragh mich wissen.
Keine Elektrizität, aber eine riesige DVD- Sammlung. Was fragte ich überhaupt noch!
12:00 Uhr: Mittagessen:
Gemüsesuppe mit Nudeln in Form von Muscheln. Steak mit orangefa rbenem Reis und Erdbeerjoghurt.
13:30 Uhr: Gespräch mit dem obersten Eingeweihten:
Pépé fragte mich, was ich in der Stadt gesehen hätte. Ob sie sich bereits unter meinem Einfluss großartig verändert hätte. Er wollte wissen, ob wir etwas gefunden hatten, dass den Verdacht, dass unnatürlich viele Sehnsüchte verschwanden, bestätigte oder sogar aufklärte.
Ich berichtete ihm von dem ländlichen Leben sstil, der zu der vielen Natur passte und dass dieser noch auf Danielle zurückzuführen war.
Dass ich in der Bibliothek noch etwas über die Welt gelernt, wir aber nichts gefunden hatten, das uns weiterhalf, trieb tiefe Furchen auf seine Stirn.
14:00 Uhr: Das Buch:
Ein Versuch, die Welt der Sehnsüchte zu verallgemeinern.
Wenn ich dieses Kapitel richtig verstand – selbst die Übersetzungen waren nicht immer vollständig verständlich – gab es einige Elemente, die sich, egal welche Auserwählte aktiv war, niemals veränderten:
Neben der Stadt, die wir besucht hatten und der, die von Fabelwesen beherrscht wurde, gab es noch elf weitere. Sie waren unterschiedlich groß und ihre Namen änderten sich regelmäßig:
Manchmal hatten die Auserwählten sie nach Orten benannt, die ihnen bekannt waren, manchmal nach Personen, die in ihrem Leben wichtig waren – so hieß im 9. Jahrhundert die größte von ihnen Karlsstadt nach Karl dem Großen.
Des Weiteren gab es immer den Fluss, der
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