Desiderium
bei gutem Wetter tagsüber türkis blau und abends rötlich schimmerte. Die weiter entfernt liegende Bergkette, zu der bisher kein Auserwählter vorgedrungen war, waren zurzeit von Joseph vermutlich Pyramiden gewesen und sollten lediglich an das Leben des Mannes erinnern, der für die Entstehung dieser Welt verantwortlich war.
16:00 Uhr: Latein:
Pépé fragte mich die ersten wichtigen Vokabeln ab – von denen ich nicht einmal die Hälfte kannte. Dann trug er mir auf, mithilfe meiner Unterlagen den ersten Übungstext zu übersetzen.
Anfangs war es noch einfach, ich konnte mir bereits vorstellen, bald die unübersetzten Texte im Buch der Eingeweihten lesen zu können. Als die Sätze jedoch länger wurden und mehr als sieben Wörter hatten, gab ich auf.
18:00 Uhr: Hausaufgaben:
Englisch, Französisch, Politik, Religion.
»Wieso glaube ich, dass in den nächsten fünf Minuten ein Kommentar darüber fällt, dass ich bei den Religionshausaufgaben voreingenommen bin« , bemerkte ich Alice gegenüber.
»Du weißt doch, dass ich niemals am Boden liegende Leute trete«, e rwiderte sie. »Fast nie.« Sie lachte leise. »Wenn du irgendwelche Probleme hast wegen dem neuen Stoff, sag Bescheid. Ich hab mir die Aufgaben angesehen, die sind nicht schwer.«
»Du bist das einzige Mädchen, das ich kenne, das nicht nur gut in M athe ist, sondern auch noch daran Spaß hat.« Die wenigsten wussten, dass sie ein Ass in Naturwissenschaften war. Ihr Auftreten vermittelte für gewöhnlich einen ganz anderen Eindruck.
»Ich weiß, ich bin notfalls deine Rettung.« Ich hörte sie grinsen. »Ist sonst alles in Ordnung mit dir? Du klingst ziemlich fertig.«
»Natürlich, ich lerne nur viel. Dadurch protestiert alles in mir nach Schlaf.«
»Okay, dann noch viel Erfolg. Bis morgen.«
21:30 Uhr: Tagesende:
In meinem Traum erschien Darragh .
Er stand auf einer kahlen Fläche, beide Füße fest auf dem Boden. Sein glatt nach hinten gekämmtes, pechschwarzes Haar wurde von der Du nkelheit verschluckt. Auch sein Lächeln war düster; düster und gefährlich, nicht von dieser Welt.
In seiner rechten Hand hielt er das Schwert, das bei unserem zweiten Aufeinandertreffen in seiner Scheide gesteckt hatte. Der Griff, der ebenso silbern war wie das Schwert selbst, war mit Saphiren besetzt. Sie bildeten ein verschnörkeltes Muster.
Mit ehrfürchtigem Blick hob er es und wirbelte es über seinem Kopf. Pfeifend durchschnitt es die Luft. Ein Summen erhob sich. Es legte sich auf jedes andere Geräusch wie ein Mantel und schluckte es.
Die Welt begann zu beben, als die blitzende Klinge herabsauste. Ein, zwei, drei Mal. Kurze, präzise Hiebe.
Taue, die nicht enden wollten, wurden durchschnitten. Die losen, fransigen Enden flogen um mich herum, ehe sie sich um mich legten und fesselten, bis sich das Blut in meinen Armen und Beinen staute. Eines wickelte sich um meinen Hals und drückte mir die Luft ab. Ich versuchte zu schreien, keuchte, röchelte.
Aber niemand half mir.
Dann veränderte sich die Szene.
Die Dunkelheit blieb, wurde stärker, undurchdringlicher. Nichts außer Darragh, war mehr zu erkennen. Das Summen, das Beben sowie das Schwert waren verschwunden.
Stattdessen umklammerte Darraghs Hand einen menschlichen Arm. Noch immer war sein Lächeln bösartig, geradezu schadenfroh. Es en tblößte zwei perlweiße, spitze Eckzähne.
Langsam, mit geradezu raubtierähnlicher Anmut bewegte er sich, beu gte sich über die Person, die zu seinen Füßen lag. Von seinem Opfer sah ich kaum mehr als einen Schopf blonder Haare und sein halbes Gesicht – blass und schmerzverzerrt.
Der Vampir Darragh lachte leise und zufrieden, dann riss er dem Mann mit einer einzigen, fließenden Bewegung die Kehle auf.
Jarons Schrei hallte noch in meinen Ohren nach, als ich bereits aufgewacht war.
Mittwoch
10:00 Uhr: Training mit Jaron:
Wir waren auf einem fußballplatzgroßen Feld. Von Bäumen hängende Seile und umgefallene Baumstämme waren nur ein paar der Gegenstände, die mir sofort signalisierten, dass dieser Ort zu einem Trainingsplatz umfunktioniert worden war.
»Es wäre vermutlich einfacher, wenn deine Tante ein Fan der Zukunft gewesen wäre. Dann hätten wir bessere Möglic hkeiten.« So weit ich wusste, bemerkte Jaron in letzter Zeit des Öfteren wie groß der Einfluss war, den die Auserwählten auf sein Leben hatten. Inklusive eines nachdenklichen, philosophischen Untertons, den ich ihm nicht zugetraut hätte.
Das Training begann
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