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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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Gegensatz zu ihr bemerkte er auf den ersten Blick, die blassen, leblosen Augen der Meisten. Sie starrten sowohl durch ihn als auch durch sie hindurch als seien sie aus Glas.
    Jaron fand eine handvoll menschliche Sehnsüchte, die einen halbwegs freien Willen besaßen. Doch auch sie wussten nichts zu berichten, i hnen sei keine Veränderung aufgefallen – weder allgemein noch speziell in der Nachbarschaft. Als sie fragten, warum die beiden das wissen wollten, dachte Jaron sich hastig etwas aus.
    Cassim hingegen fragte eine Frau Mitte dreißig nach ihren Freunden Mathieu und Danielle.
    Sie erinnerte sich lückenhaft an eine hochgewachsene, braunha arige Frau, der stets ein Mann – Cassim bestätigte, dass die Beschreibung auf ihren Vater passte – hinterher gerannt war. »Es wirkte, als wolle er sie vor allem beschützen. Geradezu übertrieben.« Vermutlich deshalb war es die letzten Male häufiger zu Streits gekommen. Cassims Tante hatte ihrem Vater gelegentlich sogar gedroht.
    Nach diesem Gespräch äußerte Jaron den Verdacht, ob sie nicht etwas mit dem Tod ihres Vaters zu tun haben könnte – eine A ffekttat.
    »Nein«, erwiderte Cassim kopfschüttelnd. »Sie ist Jahre vor meinem Vater gestorben. Wenn sie überlebt hätte, wüssten wir davon. Das Auto …« In der Zwischenzeit hatte sie ihm erklärt, was genau das war. »war ein einziges Wrack, das hätte niemand überlebt. Wenn, dann müsste sie ein mächtiger Geist gewesen sein. Und Geister gibt es nicht.«
    Belustigt stellte Jaron fest, dass sie auf die Geschichte einer Westernstadt im Süden, in der nur Geister lebten, zu warten schien.
    Einen Augenblick lang war er versucht, genau das zu tun, ließ es dann aber doch.
    Darüber hinaus übergab sie ihm nach einer ihrer gemeinsamen Recherchen einen Stapel Bücher. »Darin dürftest du das Wichtigste über meine Welt finden. Es sind auch Bilder von Autos drin«, fügte sie hinzu, nicht ohne ihm ein sarkastisches Lächeln zu schenken.
     
    *
     
    Eine weitere Woche später waren wir unsere Aufgaben betreffend keinen Schritt weitergekommen, was weder meinem Großvater noch Darragh sonderlich gefiel.
    Dafür gelang es mir, anderthalb Stunden in der Welt der Sehnsüchte zu bleiben und beim Badminton schlug ich Jaron jedes Mal – sehr zu se inem Missfallen.
    Ich konnte es auch niemandem recht machen!
    An Jaron war mir in der Zwischenzeit noch mehr aufgefallen als die Tatsache, dass er nicht verlieren konnte. Er war nicht nur der arrogante, sportliche Schönling. Genau genommen hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt drei verschiedenen Jarons kennengelernt:
    Der, mit dem ich bisher am häufigsten Kontakt hatte, war der no rmale Jaron beim Training, wenn niemand dabei war: Er zeigte ehrliches Interesse daran, dass ich mich verbesserte. Er forderte mich mit seinen Aufgaben heraus, doch genau das brauchte ich. Wenn wir uns nicht gerade gegenseitig provozierten – wo er meist den Kürzeren zog – war Jaron trotz arroganter oder sogar anzüglicher Kommentare äußerst freundlich. Mehr als das; manchmal sah es danach aus, als wolle er mit mir flirten.
    Bei unseren Gymnastikübungen kam es vor, dass er plötzlich hinter mir stand, seine Hände lagen an meinen Armen oder meine Taille, um mir zu helfen. Wenn er dabei trotz seinen Bemühungen meine Haut berührte, kehrten die elektrischen Ladungen zurück. Jedes Mal zuckte einer von uns zurück und wir schwiegen uns an. Und jedes Mal sagte mir Jaron dann mit knirschenden Zähnen, was ich als Nächstes tun sollte.
    Dann, wann immer einer der Eingeweihten uns beim Training beobachteten, gab es einen überaus pflichtbewussten Jaron: An solchen Tagen war er detailfixierter und strenger. Sofern es die Zeit zuließ, rannte er längere Strecken mit mir, baute schwierigere Parcours, hängte die Latte für den Hochsprung höher. Mit tonloser Stimme berichtete er unseren Besuchern von meinen Fortschritten und woran wir noch arbeiten mussten.
    Selbst wenn ich Gefühle gehabt hätte, hätte ich mich auch an dieser Art nicht stören können.
    Den einzigen Jaron, der mir suspekt erschien, lernte ich Anfang meiner dritten Woche kennen.
    Ich entdeckte das Mädchen als sie noch zweihundert Meter entfernt war: Die junge Frau mochte so alt wie Jaron sein. Ihre beeindruckend langen Beine, die perfekt zum Rest ihres modelähnlichen Körpers passten, wurden durch ihre schwarze Röhrenjeans betont. Das fliederfarbene, langärmlige T- Shirt war nicht allzu tief ausgeschnitten, aber immer noch tief

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