Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
Muskeln spannten sich an. Er spürte dieses gewisse Prickeln, Adrenalin, das durch seine Adern schoss, immer dann, wenn er wusste, dass er bei einem Fall auf etwas Interessantes gestoßen war.
»Aus dem Waisenhaus von St. Elsinore?«, fragte Bentz.
»Selbstverständlich«, erwiderte die Mutter Oberin, als sei das allgemein bekannt. »Die meisten der Frauen hier kommen aus dem Waisenhaus von St. Elsinore, Schwestern im Geiste, ja, aber auch Schwestern, weil sie an ein und demselben Ort aufgewachsen sind.« Einer ihrer Mundwinkel zitterte leicht. »Genau wie ich.«
»Sie sind ebenfalls aus dem Waisenhaus von St. Elsinore adoptiert worden?«, fragte Montoya, nur um sicherzugehen, dass er sich nicht verhört hatte.
Charity lächelte gezwungen. »Nein. Anders als mein Bruder bin ich nicht adoptiert worden.« Sie seufzte traurig. »Ich bin im Waisenhaus großgeworden. Die Älteren sind schwieriger zu vermitteln, müssen Sie wissen. Es bricht mir das Herz, dass St. Elsinore geschlossen wird …«
Montoya verspürte erneut dieses Prickeln. »Schwester Camille war doch auch ein Adoptivkind aus St. Elsinore, nicht war?« Er blickte in seine Notizen.
»Ja.« Die Klostervorsteherin nickte.
»Aber Asteria nicht, wenn ich richtig informiert bin. Sie stammte aus einer großen Familie in Birmingham.«
»Nein, Detective.« Die Mutter Oberin machte ein nachdenkliches Gesicht. In ihrem Lächeln lag sowohl Schmerz als auch eine gewisse Ironie. »Sie wurde ebenfalls aus dem Waisenhaus von St. Elsinore adoptiert. Die McClellans hatten alles versucht, um ein leibliches Kind zu bekommen, doch leider vergeblich. Daher beschlossen sie, Asteria zu adoptieren, und innerhalb von zwölf Monaten brachte Mrs. McClellan – ich meine, sie hat mit Vornamen Colleen geheißen – ein eigenes Kind zur Welt und danach noch fünf weitere.«
»Also war nur Asteria adoptiert?«
»Soweit ich weiß, ja.«
Montoyas Gedanken überschlugen sich. Konnte es das sein? Die Verbindung, nach der sie gesucht hatten? War sie in St. Elsinore begründet und nicht, wie sie angenommen hatten, in St. Marguerite? »Könnten Sie uns eine Liste mit allen Konventsbewohnerinnen erstellen, die aus dem Waisenhaus von St. Elsinore kommen?«
»Ich … ich denke schon. Auch wenn das im Grunde eine sehr persönliche Angelegenheit ist.«
»Die sich auch ganz einfach mit einem Blick in öffentlich verfügbare Behördenunterlagen klären ließe«, bemerkte Bentz. Schwester Charity nickte.
»Na schön. Lassen Sie mich zuerst mit den Frauen sprechen, dann werde ich eine Liste für Sie erstellen.«
»Noch eine Sache«, sagte Montoya. »Hatte Schwester Asteria ein Verhältnis mit Vater Frank O’Toole?«
»Wie bitte? Aber nein! Obwohl, nun ja, obwohl ein paar … Fehltritte vorgekommen sind, feiern wir hier nicht den Sommer der Liebe. Wir alle, die Priester, Nonnen und Novizinnen, praktizieren das Zölibat, und bevor Sie mir ins Wort fallen – ja, ich weiß Bescheid über Schwester Camille und Vater O’Toole, und natürlich gebe ich zu, dass Schwester Lea der Versuchung erlegen ist, genau wie Vater O’Toole, aber nicht Schwester Asteria …« Doch ihre Stimme verklang, und für eine Sekunde wandte sie den Blick von den Detectives ab und starrte ins Leere. In ihren Augen flackerte Ablehnung auf, doch sie fing sich schnell wieder. »Vielleicht haben sie miteinander geflirtet, vielleicht hatte Asteria … ähm … gewisse Phantasien, aber etwas Ernsthaftes war das nicht, das versichere ich Ihnen.«
Montoya nickte, obwohl er nicht gerade überzeugt war. Er musste die Frage stellen, die die ganze Zeit über an ihm nagte. »Die Gerichtsmedizin hat merkwürdige Narben auf Schwester Camilles Leichnam gefunden«, wagte er einen vorsichtigen Vorstoß.
Die alte Nonne versteifte sich, doch sie fragte nicht nach, sondern wartete, dass er fortfuhr.
»Kreuz und quer verlaufende Narben.«
»Als wäre sie gegeißelt worden«, fügte Bentz hinzu.
Die Mutter Oberin flüsterte etwas Unhörbares.
»Wie bitte?«, sagte Montoya.
Schwester Charity schloss für einen kurzen Moment die Augen, und als sie sie wieder öffnete, starrte sie ihn durch ihre Brillengläser so durchdringend an wie ein Entomologe eine neuentdeckte Insektenart unter dem Mikroskop. »Manchmal, Detectives, wenn eine Sünderin Buße tut, bestraft sie sich auch körperlich, um sich seelisch zu reinigen und zu geistiger Klarheit zu finden. Wenngleich ich nicht auf diese Praxis dränge, so weiß ich doch,
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