Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
Und sie deutete mit der Messerklinge auf den Sack vor der Speisekammertür.
Regina errötete leicht und biss die Zähne zusammen. »Wir brauchen noch mehr«, sagte sie mit schmalen Lippen. »Wir erwarten Gäste, und ich werde den ganzen Tag backen.«
»Es gibt keinen Grund, Schwester Lucy deswegen anzufahren«, beharrte Irene und schnitt weiter Erdbeeren. »Wir sind heute alle mit den Nerven fertig und traurig wegen der armen Schwester Camille. Da laufen die Dinge eben weniger glatt als sonst.« Irene nickte heftig mit dem Kopf, als würde sie sich selbst zustimmen.
Überrascht, dass ihre Autorität in Frage gestellt wurde, erwiderte Regina: »Gleichgültig, was letzte Nacht passiert ist: Die Arbeit muss erledigt werden. Die Arbeit des Herrn.«
»Dann lass uns das gemeinsam tun. Einvernehmlich im Geiste«, schlug Irene vor und ließ ihr Messer wieder sinken.
Angela hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken, und selbst Devota zog die Augenbrauen hoch.
»Kein Problem. Ich hole das Mehl.« Lucia war bereits unterwegs zu der Tür, die nach draußen führte. Irene wandte sich ihrer Schüssel mit Erdbeeren zu. Regina kümmerte sich um den Eintopf und sah aus, als wolle sie Nägel spucken. Angela und Devota konzentrierten sich wieder auf den Brotteig.
Du gehörst nicht hierher, und das weißt du.
Die quälende Stimme in ihrem Kopf erinnerte Lucia beständig daran, dass ihre Hingabe geringer war als die der meisten anderen Nonnen, dass ihre Ergebenheit im Vergleich deutlich abfiel. Angela, Devota, Irene, Louise und Dorothy schienen so viel frommer zu sein, ihr Glaube so stark, dass er durch nichts zu erschüttern war. Selbst Regina, die sauertöpfische Köchin, eine Laiin, verfügte über einen unbeirrten Glauben und felsenfestes Gottvertrauen.
Anders als Lucia.
»Vergib mir«, flüsterte sie und bekreuzigte sich, während sie über den Kiesweg durch den Kräutergarten auf ein kleines Lagerhaus zuging. Der Duft von Lavendel und Rosmarin wehte durch die warme Luft, Sonnenlicht fing sich in den schnell trocknenden Pfützen, die sich auf dem Weg gesammelt hatten.
Es war ein schöner Tag. Ein warmer Tag. Ein Tag voller göttlicher Verheißung.
Und dennoch wollte die Dunkelheit in ihrer Seele nicht weichen.
Die Tür zum Vorratsgebäude öffnete sich mit einem Quietschen. Drinnen war die Luft kühler. Einmachgläser und Dosen waren in den Regalen aufgereiht, Zucker- und Mehlsäcke wurden in fest verschlossenen Behältern aufbewahrt. Lucia öffnete den Mehlbehälter und zog einen Zehn-Kilo-Sack heraus. Sie hievte ihn auf die Schulter und ging wieder nach draußen.
Auf dem Rückweg zur Küche wappnete sie sich gegen eine weitere Auseinandersetzung mit der mürrischen Köchin. Sie hörte eine Krähe rufen, noch bevor sie sie sah, ein glänzender schwarzer Vogel, der sie forschend vom Dach der Kapelle herab anblickte.
»Schwester Lucy?«, fragte eine männliche Stimme.
Beinahe wäre sie gestolpert und in eine der Pfützen getreten. Sie fuhr herum und sah Vater Frank beim Gartentor stehen.
»Oh … Vater …«, flüsterte sie. »Ich habe … ich habe Sie nicht gesehen.«
Lucia dachte daran, wie er gestern Nacht ausgesehen hatte: das Haar nass vom Regen, das Gesicht zu einem finsteren Ausdruck verzogen, Blut, das vom Saum seiner Soutane tropfte.
»Lassen Sie mich tragen helfen«, bot er an und trat näher. Das Gartentor fiel mit einem Knall hinter ihm zu, die erschrockene Krähe krächzte und flatterte davon. Geschickt nahm er Lucia den Mehlsack ab. »Ich denke, wir sollten miteinander reden.« Mehlstaub legte sich wie eine feine Puderschicht auf seine Schulter, und das Lächeln, zu dem er sich gezwungen hatte, verschwand von seinen Lippen. »Letzte Nacht war ich außer mir, als ich gesagt habe, der Tod von Schwester Camille sei meine Schuld.« Sein Gesichtsausdruck erinnerte Lucia an ein verwundetes, gehetztes Tier. »Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig.«
»Sie müssen mir nichts erklären«, entgegnete sie rasch.
Eine Wolke schob sich vor die Sonne und warf einen unheimlichen Schatten über den Garten.
»Natürlich muss ich das, Schwester Lucy.« Mit seiner freien Hand berührte er ihre Schulter. Die Wärme seiner Fingerspitzen drang durch den dunklen Stoff ihres Gewandes. Seine dunklen Augen suchten ihren Blick, was ihr äußerst unangenehm war.
Lucia wurde innerlich immer kleiner. Sie wollte seine Berührung nicht spüren, wollte nicht hören, was er zu beichten hatte. Es war seine Rolle, ihr die Beichte
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