Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
auch Frank O’Toole habe die Stadt verlassen. Wie seltsam, dass er hier aufs Priesterseminar gegangen und bei der St.-Marguerite-Gemeinde gelandet war! Auf der anderen Seite: Vielleicht hatte sein Vater dafür gesorgt, dass er eine Stelle in der Nähe von zu Hause bekam – schließlich war bekannt, dass sich bei den Kirchen gegen großzügige Spenden so einiges bewegen ließ.
Was Reuben Montoya betraf, so war sie ihm seit der Schule nicht mehr begegnet, doch es überraschte sie, dass er als Detective beim NOPD arbeitete. Sie hätte nie damit gerechnet, dass ausgerechnet er ein Cop werden würde, sie hatte ihn eher auf der anderen Seite des Gesetzes gesehen.
Slade stellte den Ford auf einem kleinen Parkplatz ab, der zum Haus gehörte. Diesmal war er so freundlich, nicht ihren Wagen zuzuparken.
»Das alles ist ziemlich merkwürdig«, dachte er laut.
»In der Tat.« Val gab nicht viel auf Zufälle, hatte zu viele Jahre als Polizistin gearbeitet, um so naiv zu sein. Sie hatte gelernt, hinter das Offensichtliche zu blicken, hinter die Fassade dessen, was sich als Wahrheit präsentierte.
Und eines der Dinge, die sie im Augenblick beunruhigten, war die Tatsache, dass Slade vor ihrer Türschwelle aufgekreuzt war, unmittelbar bevor sie von dem Mord an ihrer Schwester erfahren hatte.
Ein weiterer Zufall.
Sie warf ihm einen Blick zu, als er den Motor abstellte.
»Also, Cowboy«, fragte sie und fasste nach dem Türgriff. »Warum bist du hier?«
Einer seiner Mundwinkel verzog sich zu dem schiefen Lächeln, das ihr einst den Atem geraubt hatte. »Ich dachte, das hätte ich bereits gesagt«, bemerkte er mit aufreizendem Selbstvertrauen. »Ich bin hier, um dir die Scheidung auszureden.«
»Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst verschwinden? Es ist vorbei.« Er wollte den Mund öffnen, aber sie hob abwehrend eine Hand. »Sieh mal, ich – na schön, wir haben soeben einen gewaltigen Schock erlitten, aber ich werde nicht zulassen, dass du Cammies Tod ausnutzt, um bleiben zu können. Ich werde schon damit fertig, Slade.« Wieder schien er protestieren zu wollen, und abermals kam ihm Valerie zuvor. »Ich war ein Cop«, erinnerte sie ihn.
»Das hier ist doch etwas ganz anderes, und das weißt du selbst.«
»Verschwinde einfach.« Sie öffnete die Tür der Fahrerkabine. »Aber der Hund bleibt. Danke, dass du mir Bo gebracht hast.« Sie stieg aus und hörte, dass er dasselbe tat. Als sie das Gartentor aufstieß, war er bereits neben ihr und marschierte Seite an Seite mit ihr auf den Eingang des Inn zu.
»Ich hab doch gesagt, Bo bleibt bei mir.« Genau wie sie nahm er zwei Treppenstufen auf einmal.
»Du kapierst es einfach nicht.« Vor der Tür drehte sie sich zu ihm um und bemerkte zum ersten Mal seinen Rucksack. »Was zum Teufel machst du hier eigentlich?«
»Ich checke ein.« Er öffnete die Tür und hielt sie für Val auf. »Ich habe reserviert.«
»Nein«, sagte sie.
»Doch. Ich habe mit einer Frau namens Freya gesprochen. Sie hat mir für eine Woche ein Zimmer vermietet.«
»Aber du hast doch behauptet, du hättest im Pick-up geschlafen, weil du eben nicht reserviert hast!«
»Für gestern Nacht hatte ich auch nichts reserviert. Für heute Nacht habe ich, glaube ich, das ›Gartenblick-Zimmer‹ gebucht.«
»Vergiss es. Am anderen Ende der Stadt gibt es ein Motel Six.«
»Es tut mir leid, Schatz«, sagte er gedehnt, »ich möchte nicht meine Anzahlung verlieren.«
»Die gebe ich dir zurück. In voller Höhe!« Mein Gott, er konnte nicht hierbleiben.
»Zu spät.« Er wies auf seinen Rucksack.
»Auf gar keinen Fall«, widersprach Val, doch diesmal mit weniger Nachdruck. Hatte Freya ihr nicht etwas »Wichtiges« sagen wollen? Etwas über Slade? »Hör mal, das wird nicht funktionieren. Es ist mir egal, was passiert ist, aber du kannst hier nicht bleiben«, beharrte sie. In diesem Augenblick sah sie den Van eines örtlichen Fernsehsenders in die Straße einbiegen. »O nein!« Irgendwie hatten die Medien Wind davon bekommen, dass sie die Schwester des Mordopfers war. Jetzt schon. »Na großartig«, murmelte sie und ging hinein. Ein paar Gäste drückten sich im Foyer herum.
Ein Mann, der schon über achtzig war, winkte ihr mit einem strahlenden Lächeln zu.
»Guten Morgen!«, rief Valerie, obwohl es alles andere als ein guter Morgen war.
»Guten Morgen!« Seine Frau, eine kleine Frau mit einem Vogelgesicht, die ein Stirnband in ihren perfekt frisierten weißen Haaren trug, strahlte sie an und schob sich eine
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