Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
Anziehung zwischen ihnen ebenfalls gespürt, trat Slade einen Schritt zurück und warf einen Blick über die Schulter auf die Kathedrale, wo zwei Nonnen in vollem Habit um die Ecke bogen. »Warum tragen die Nonnen keine normale Kleidung?«, überlegte er laut. »Ich dachte, diese Schwarz-Weiß-Aufmachung sei überholt.«
»Ich glaube, das liegt am jeweiligen Orden, der Diözese oder sonst etwas. Keine Ahnung. Ich bin schon lange aus der Kirche ausgetreten.« Val dachte an das Waisenhaus, die dunklen Flure, das Leid und die Einsamkeit, dann sperrte sie die Erinnerungen aus – dunkle, verstörende Bilder, die sie schmerzten.
»Dann kann St. Marguerite also so vorsintflutlich sein, wie es will?«
»Ich bin mir sicher, dass die Erzdiözese auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Camille hat mir erzählt, in St. Marguerite wäre es schon immer so gewesen, und die meisten Nonnen würden das so halten wollen, allen voran die warmherzige, liebenswürdige Mutter Oberin. Was sie sagt, wird gemacht.«
Slade kniff die Augen zusammen. »Wie in einem anderen Jahrhundert, wenn du mich fragst.«
»Dich fragt aber keiner«, erinnerte Val ihn, dann fügte sie hinzu: »Und nur damit das klar ist: Ich mag es nicht, wenn man mir folgt.«
Auf seinem von Bartstoppeln bedeckten Gesicht erschien ein Grinsen. »Das dachte ich mir.«
»Wirklich, Slade, du hattest kein Recht, mir hierherzufolgen, ins Kloster zu stiefeln und ihnen zu erzählen« – sie nickte in Richtung Kathedrale –, »dass wir verheiratet sind.«
»Das sind wir aber.«
»Nicht mehr lange.«
»Die katholische Kirche nimmt die Ehe sehr ernst. Ich dachte, das würde mir die Türen öffnen, und so war es auch.«
»Nun, jetzt sind die Türen zu«, stellte Valerie mit einem Blick auf den Haupteingang der Kathedrale fest. Das gelbe Polizeiband flatterte in der sanften Brise, die auch das tief herabhängende Louisianamoos in den knorrigen Eichen rund um das Gelände hin und her schwanken ließ. »Die haben die Schotten dicht gemacht.«
»Da fragt man sich doch, welche Geheimnisse die alte Kathedrale birgt.«
»Amen«, sagte Valerie, obwohl sie niemandem von St. Marguerite einen direkten Vorwurf machte, abgesehen von Frank O’Toole.
Slade stieß ein freudloses Lachen aus, das eher wie ein Schnauben klang. »Fährst du zurück zum Inn?«
»Nicht direkt.« Sie schüttelte den Kopf, öffnete die Wagentür und glitt ins drückend heiße Wageninnere. »Ich muss noch ein paar Sachen bei der Polizeistation vorbeibringen.« Val schloss die Tür und drehte den Zündschlüssel. Der alte Motor erwachte stotternd zum Leben. Um sicherzugehen, dass er sie richtig verstanden hatte, kurbelte sie das Fenster hinunter. »Ich brauche wirklich keine Begleitung.«
Slade zögerte, dann nickte er knapp. »Na gut. Ich sehe dich dann zu Hause.«
Zu Hause?
»Mein Gott, Slade, hast du nichts Besseres zu tun?«, stichelte sie. Die Klimaanlage schaltete sich ein und blies warme Luft durch den Wagen. »Gibt es keinen Bullen, den du brandmarken musst, keinen Zaun zu richten oder irgendetwas anderes zu reparieren?«
Er grinste breit, seine weißen Zähne hoben sich strahlend von der gebräunten Haut ab. »Nun, Liebling, das ist genau das, was ich im Augenblick tue: Ich repariere die Beziehung mit meiner Frau.«
»Gott bewahre«, sagte sie, nahm eine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach und setzte sie sich auf die Nase. »Du bist hier auf geweihtem Grund und Boden, Cowboy. Pass besser auf, dass du nicht allzu viel Mist erzählst, sonst wirst du noch vom Blitz erschlagen!«
Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, musste sie wieder an Camilles Leichnam vor dem Altar denken, daran, wie jung ihre Schwester hatte sterben müssen.
»Ich will los«, sagte sie, und bevor er sie auch nur eine Sekunde länger aufhalten konnte, legte sie den Gang ein und gab Gas.
Er trat zurück, und sie schoss die halbkreisförmige Zufahrt hinunter, bog auf die leere Straße und ließ ihn unter einem der Bäume stehen, die den rissigen Asphalt beschatteten.
Mit seiner tief auf den schmalen Hüften sitzenden abgewetzten Jeans und den von der Sonne gebräunten Unterarmen sah er durch und durch aus wie der typische Texas-Rancher, der er war.
Und du liebst ihn immer noch,
flüsterte die nervende Stimme in ihrem Kopf.
»Nein«, widersprach sie laut.
Slade Houston zu lieben grenzte an Wahnsinn, wenn man bedachte, was er getan hatte.
Doch sie wollte, sie
konnte
gar nicht daran denken.
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Kapitel neunzehn
D
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