Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
tropfte. Irgendwie gelang es Freya, den Klecks aufzulecken, bevor er auf den Linoleumboden klatschte.
Freya war fünfunddreißig, hatte immer noch den wohlgeformten Körper der Turnerin, die sie an der Highschool gewesen war, und den Stoffwechsel einer Fünfzehnjährigen.
»Du siehst schrecklich aus«, stellte sie jetzt fest.
»Vielen Dank.«
»Nein, wirklich, du solltest versuchen, etwas zu schlafen.«
Wenn das so einfach wäre! Val drehte sich um und lehnte sich mit der Hüfte gegen den Küchentresen. »Wir sind eben zwei Ruhelose.« Die Unfähigkeit zu schlafen war etwas, das sie mit Freya teilte.
Freya prostete ihrer Freundin zu. »Meiner ist koffeinfrei. Obwohl das nicht heißt, dass ich anschließend tatsächlich einschlafen werde.«
»Mein Tee ist auch ohne Koffein, außerdem trägt er den vielversprechenden Namen ›Ruhe‹.« Val nahm einen vorsichtigen Schluck. Das heiße, nach Ingwer und Kamille schmeckende Wasser verbrühte ihr die Zungenspitze. »Angeblich hilft es einem, sich zu entspannen … Wart mal, ich schau mal eben nach, was genau auf der Packung steht.« Sie holte die leere Schachtel und las. »O ja, hier steht es: ›Die einzigartige Rezeptur von
Ruhe
nimmt Ihnen mit jedem genussvollen Schluck alle Sorgen dieser Welt – eine beruhigende Mischung aus Kamille und Ingwer mit einem Hauch Jasmin, die Ihnen Linderung verschaffen wird.‹«
»Aber sicher doch«, spöttelte Freya und rümpfte die Nase. »
Dir
Linderung verschaffen? Niemals. Und überhaupt: Das klingt ja abscheulich!«
»Nein, nur langweilig im Vergleich zu dreifachen Karamell-Schokolade-Latte-Macchiatos, zusammen mit Wodka-Red-Bull.«
»Sehr lustig.« Freya, die ein Grinsen nicht unterdrücken konnte, setzte sich auf einen der beiden Kaffeehausstühle an Vals Bistro-Tischchen.
Sie waren seit der achten Klasse Freundinnen, und es war Freya Martin gewesen, die Val dazu überredet hatte, in dieses Bed & Breakfast Inn im Garden District, ein paar Blocks von der St. Charles Avenue entfernt, zu investieren. Das alte georgianische Haus mit den acht Zimmern, das »The Briarstone House« genannt wurde, hatte nur wenig Schaden genommen, als der Hurrikan Katrina mit voller Wucht über die Küste von New Orleans hereingebrochen war, aber die Besitzer – Freyas Großtante und ihr Mann – beschlossen damals, dass sie sich Stürmen der Kategorie fünf nicht mehr gewachsen fühlten, und sie wollten auch keine weiteren Stürme der Kategorie eins, zwei, drei oder vier miterleben. Deswegen hatten Tantchen und Onkel die Golfregion verlassen wollen, und zwar schnell.
Freya war gern eingesprungen.
Sie hatte Onkel Blair und Tante Susie ausbezahlt und das Bed & Breakfast übernommen, in das sie gemeinsam mit ihrem Freund eingezogen war. Onkel und Tantchen hatten fast ihre gesamte Einrichtung dagelassen, ihr Wohnmobil vollgetankt und waren gen Westen Richtung Sonnenuntergang gefahren, auf der Suche nach einem trockenen Klima, neuen Sonnenanbeterfreunden und endlosen Nächten bei Kartenspielen und Martinis.
Für Valerie, deren Nerven gerade blanklagen, hatte es wie der Himmel auf Erden geklungen. Sie stand in ihrem Leben an einem Scheideweg, als sich Freya von ihrem Freund trennte und Val fragte, ob sie ihre Teilhaberin werden wolle. Es hatte nicht viel gebraucht, um sie davon zu überzeugen, dass es die beste Idee auf der ganzen Welt war, in das knarzende, alte georgianische Anwesen, in dem es angeblich sogar spukte, zu investieren. Vor allem, da das Inn nur eine knappe Meile Luftlinie von Camille und St. Marguerite entfernt lag.
Freya hatte Val per E-Mail die Details geschickt, und Val hatte die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.
Der Rest war sozusagen Geschichte. Manches davon allerdings eher schlechte Geschichte.
Und jetzt, beim Geräusch des in den Gullys gurgelnden Regens, fragte sich Val, ob sie wohl die richtige Entscheidung getroffen hatte. Wieder einmal. Außerdem war das unheimliche Gefühl von vorhin noch nicht verschwunden. Um es endlich abzuschütteln, blickte sie aus dem Fenster Richtung St. Marguerite, aber natürlich konnte sie die Kirchturmspitze bei der Dunkelheit nicht sehen.
»Na schön, spuck’s aus. Etwas stimmt nicht, hab ich recht?«, fragte Freya mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Moment, vergiss es. Lass mich raten – es geht um Slade.«
»Es geht nicht um Slade«, widersprach Val mit Nachdruck, und Freya, die ihr kein Wort abkaufte, verdrehte die Augen.
»Wenn du es sagst.«
»Glaub mir, es geht
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