Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
aussehende Nonne mit einer riesigen Brille.
»Scht! Schwester Maura«, sagte eine andere, hochgewachsene, kräftige Frau mit gleichmäßigen Gesichtszügen und einem freundlichen Lächeln. »Ich denke, Schwester Lucy kommt selbst damit zurecht. Ich bin übrigens Schwester Devota.«
»Es darf sich aber kein Außenstehender in diesem Teil des Konvents aufhalten!«, beharrte Schwester Maura.
Eine mollige Nonne mit rosigen Wangen kicherte. »Ach, Maura, hör doch auf damit!«
»Bestimmt nicht, Schwester Angela«, widersprach die Kluge und errötete.
Mit weißem Gesicht trat Lucia vor. »Ich werde mit ihm reden. Er ist … ähm … ein alter Freund der Familie. Cruz Montoya.« Sie warf ihm einen Blick zu, der Stahl hätte durchdringen können, dann sagte sie mit schmalen Lippen: »Das ist Zita«, und deutete auf eine junge Farbige, die in der Nähe stand.
»Und ich bin Edwina«, stellte sich eine sportliche Frau mit ausgeprägten nordischen Zügen und tiefliegenden blauen Augen vor, die ihn argwöhnisch musterten.
Auch andere Nonnen nannten rasch ihre Namen. Eine von ihnen, die dicke Dorothy, rang ihre Hände, und ein nervöser Tic machte sich in einem ihrer Augenwinkel bemerkbar. Louise, die die Notenblätter trug, bedachte ihn mit einem höflichen, wenngleich fragenden Lächeln.
»Komm mit mir«, sagte Lucia zu Cruz. »Wir können im Garten miteinander reden.« Sie führte ihn den Flur entlang, eine Treppe hinunter und durch eine Doppeltür hinaus in einen Garten mit einem plätschernden Springbrunnen.
Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, wirbelte Lucia zu ihm herum. »Was zum Teufel tust du hier?«
»Dich besuchen.«
»Nach so langer Zeit?«
»Du warst verschwunden.«
Sie starrte ihn an. »Ich weiß. Und zwar mit Absicht.«
»Warum?«
»Warum?« Sie verdrehte die Augen. »Weil ich dich nicht mehr sehen wollte.«
»Das hättest du doch sagen können.«
»Und du wärst dann einfach gegangen?«
Er zögerte, dachte an die Schuldgefühle zurück, die er nach dem Unfall verspürt hatte, dachte daran, wie sehr er sie geliebt hatte. Wenn Liebe das richtige Wort war. Damals waren Schuld, Verlangen und Liebe in seinem Innern ziemlich durcheinandergewirbelt.
»Siehst du?« Sie berührte ihn sanft an der Schulter. »Geh, Cruz. Ich werde das Gelübde ablegen, den Rest meines Lebens als Dienerin Gottes zu verbringen.«
»Im Ernst?«
»Ja.« Ihre Stimme klang fest, und obwohl er den Anflug eines Zweifels in ihren Augen bemerkte, stand sie doch hoch erhobenen Hauptes da. Er hatte das Gefühl, eine Wolke habe sich vor die Sonne geschoben, auch wenn sich kein Schatten über die blühenden Sträucher legte. »Geh«, wiederholte sie eindringlicher, als hätte auch sie den unsichtbaren Schatten bemerkt.
»Nur eine Frage.«
»Ja?«
»Warum hast du beschlossen, Nonne zu werden?«
»Liegt das denn nicht auf der Hand, Cruz?«, fragte sie. »Deinetwegen natürlich.«
Seine Kehle schnürte sich zusammen, und er verspürte den albernen Drang, sie zu küssen. Sie versuchte, ihm auszuweichen, aber er griff nach ihrer Armbeuge und drehte sie zu sich herum. »Und was hast du gemeint, als du mir im Krankenhaus ›Gefahr‹ zugeflüstert hast?«
»Das sind schon zwei Fragen.«
»Okay, dann beantworte mir eben zwei.« Seine Finger schlossen sich um den steifen Stoff ihres Ordensgewands. »Was für eine Gefahr meintest du?«
Sie leckte sich nervös die Lippen, was ihn innerlich aufstöhnen ließ. »Lucia?«
»Du und ich, Cruz, zusammen sind wir gefährlich, und –«
Er sah, wie sie schluckte.
»Wir haben ein gefährliches Spiel gespielt, allein dadurch, dass wir miteinander gegangen sind.« Jetzt log sie, er merkte es an ihren fahrigen Bewegungen und daran, dass ihre Stimme in die Höhe schoss. Sie sah ihn mit ihren dunklen, intelligenten Augen an. »Und jetzt lass mich bitte in Ruhe. Ich möchte dich nicht wiedersehen! Hast du verstanden, Cruz? Nie mehr.«
Er glaubte ihr nicht eine Sekunde, und zu seinem eigenen Entsetzen zog er sie an sich und küsste sie fest auf die Lippen. Ihm wurde heiß, als sie die Lippen öffnete und leise in seinen Mund stöhnte.
Er schloss die Augen und spürte, wie sie sich entspannte, spürte den sanften Druck ihrer Lippen, das Spiel ihrer Zunge, und für eine Sekunde lehnte sie sich an ihn. Gab sich dem Feuer hin, das immer schon da gewesen war.
Er stöhnte und spreizte die Hände.
Binnen einer Sekunde war alles vorbei.
Lucia versteifte sich in seinen Armen.
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