Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
machen.
Slade lenkte den Pick-up aus der Stadt hinaus in Richtung Nordosten auf die Interstate 10 , die über den Lake Pontchartrain führte. Möwen kreisten am Himmel und stießen ab und zu aufs Wasser hinab.
Vals Magen war während der Fahrt wie zugeschnürt, und ihre Handflächen kribbelten.
Die Kapelle kam als Erstes in Sicht, weißgetünchter Stein und Buntglasfenster. Ein leerer Kirchturm ragte hoch hinauf in den leicht nebeligen Tag. Bei näherem Hinschauen bemerkte Val, dass er Risse hatte und dass einige der Fenster mit Sperrholz verrammelt waren. Die ehemals weißen Wände waren streifig und schmutzig. Durch den Zaun sah sie ein paar Kinder auf den alten Geräten spielen.
Slade fuhr auf einen mit Schlaglöchern übersäten Parkplatz. Val redete sich ein, dass sie nichts zu befürchten hatte – schließlich war St. Elsinore nur ein Kloster mit einem Waisenhaus, und die Leute, die dort arbeiteten, waren gottesfürchtig und voller guter Absichten.
Helle Stimmchen, Quietschen und Gelächter drangen vom Spielplatz zu ihnen herüber. Hohe Bäume, deren Blätter einen dichten Baldachin bildeten, sorgten dafür, dass das Sonnenlicht auf den rissigen Gehwegen ein Tupfenmuster malte.
Valerie stieg die breiten Stufen in die Eingangshalle hinauf, wo ihr der Duft von warmem Brot und Zimt entgegenschlug. Sie entdeckte die Bürotür mit dem Strukturglas-Fenster und öffnete sie. Eine Frau saß an einem Schreibtisch und blickte auf den Bildschirm ihres Computers. Als Val und Slade eintraten, sah sie auf. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie, erhob sich und streckte die Hand aus. »Ich bin Schwester Philomena, die Rezeptionistin.« Ihre Augen strahlten, und sie hatte ein breites Lächeln und einen festen Händedruck. Schwester Philomena trug eine Baumwollhose und einen leichten Pullover, ihr Haar war zu einem modischen Bob geschnitten.
Weit entfernt von den finsteren, in Schwarz gehüllten Nonnen, an die sich Val von früher erinnerte.
Sie stellte erst sich selbst vor und dann Slade als ihren Ehemann. »Camille Renard war meine Schwester, man hat mir gesagt, dass sie hier arbeitete.«
»O ja. Mein herzliches Beileid«, sagte Schwester Philomena aufrichtig. »Schwester Camille war ein Segen für uns.«
Bei diesen Worten traten Val die Tränen in die Augen, denn bei dem Bild, das sich zuletzt von ihrer Schwester abzeichnete, war sie dankbar dafür, dass noch jemand außer ihr das Gute in Cammie gesehen hatte. »Vielen Dank«, sagte sie, ohne einen Seitenblick auf Slade zu werfen.
Sie räusperte sich und fügte hinzu: »Ich würde mich gern mit den Frauen unterhalten, mit denen sie zusammengearbeitet hat.«
»Vielleicht auch mit dem Priester?«, schlug Schwester Philomena vor. »Vater Thomas ist ein außerordentlich verständnisvoller Mann und kann Sie in Ihrer Trauer begleiten.«
Val war nicht hier, um Trauerhilfe zu erbitten, aber das konnte Schwester Philomena nicht wissen. »Vielleicht später. Erst einmal würde ich mich gern mit ihren Freundinnen unterhalten.«
»Natürlich.« Schwester Philomena nickte. »Wir sollten mit der Mutter Oberin beginnen.« Sie ging auf eine Tür zu, die vom Büro abführte, dann klopfte sie leise an und schlüpfte ins Zimmer. Binnen Sekunden kam sie wieder heraus, gefolgt von einer kleinen Frau.
Die Frau, die jede Menge Energie verströmte, war höchstens einen Meter fünfzig groß, hatte lockiges braunes Haar, durchsetzt von grauen Strähnen, und trug einen marineblauen Rock mit einem passenden Blazer über einer locker fallenden weißen Bluse. Ihr Gesicht war gebräunt und runzlig, als hätte sie in ihrem Leben viel Zeit in der Sonne verbracht. Ein goldenes Kruzifix hing an einer zierlichen Kette um ihren Hals, auf ihrer Nasenspitze saß eine Lesebrille.
»Es tut mir so leid«, sagte sie, nachdem sie sich als Schwester Georgia vorgestellt und Vals Hand mit beiden Händen umschlossen hatte. Ihr Gesicht drückte Mitgefühl aus. »Das ist eine schwere Zeit für uns alle. Kommen Sie mit in mein Büro, dort können wir uns unterhalten.«
Val und Slade folgten ihr in einen kleinen Raum. Schwester Georgia deutete auf zwei abgenutzte Stühle vor ihrem Schreibtisch. Durch mehrere Fenster fiel Licht ins Zimmer; eines davon ging auf den Spielplatz hinaus, auf dem jetzt keine Kinder mehr zu sehen waren. Bücher säumten eine Wand, ein antiker Globus stand in einem geschnitzten Holzgestell neben einer üppig blühenden Nonnenorchidee.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte
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