Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
»Nein!«, flüsterte sie und starrte ihn entsetzt an. »Das darf nicht passieren!« So schnell, als hätte er sie geschlagen, zuckte sie zurück. »Oh … nein …« Sie schüttelte heftig den Kopf, so dass ihr Nonnenschleier zitterte.
»Warte!« Er wollte sie nicht abermals verlieren. Er hatte noch so viele Fragen, so viele Gefühle. »Lucia –«
»Ich meine es ernst.«
Wieder griff er nach ihrer Armbeuge. »Dann ruf mich an.«
»Nein.«
Er ratterte seine Handynummer herunter – eine Nummer, die sie sich leicht merken konnte, denn die letzten Ziffern waren ihr Geburtsjahr. »Die wirst du nicht vergessen.«
»Doch«, widersprach sie und entzog ihm ihren Arm. »Geh, Cruz, und komm nicht wieder her. Nie mehr!« Sie stolperte fast, als sie von ihm fort und durch die schwere Doppeltür lief.
Cruz, dem das Blut in den Ohren pochte, drehte sich um – und entdeckte Schwester Charity, die ihn von einem Balkon in einem der höheren Stockwerke aus beobachtete. Ihre Miene sagte alles. Sie war kreideweiß und hatte missbilligend den Mund verzogen … obwohl, da war noch mehr.
Ihre Gesichtszüge, die eigentlich den Inbegriff der Tugend widerspiegeln sollten, drückten Abscheu aus, als hätte sie etwas so Widerwärtiges, Abstoßendes gesehen, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte.
Ohne den Blick abzuwenden, schlug sie das Kreuzzeichen vor ihrer Brust, und Cruz fragte sich, warum diese harmlose Geste wie eine Drohung auf ihn wirkte.
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Kapitel neunundzwanzig
E s war Spätnachmittag, als Val und Slade zum Kloster von St. Elsinore fuhren. Die Sonne, vor die sich immer wieder Schleierwolken schoben, hing bereits tief am Himmel.
Fast den ganzen Tag über war Valerie mit Papierkram beschäftigt gewesen, mit der Anmeldung von Gästen und den Internetreservierungen. Außerdem hatte sie Freya in der Küche geholfen und die Wäsche und jene Zimmer fertiggemacht, die das Hausmädchen, das nur Teilzeit angestellt war, nicht geschafft hatte. Zwar servierten sie kein Mittagessen, doch sie boten abends Wein, Käse, Kräcker und etwas Besonderes an, das Freya gebacken hatte. Heute Nachmittag hatte sie haufenweise von ihren unvergleichlichen Pralinen hergestellt und Ingwerplätzchen in den Ofen geschoben. Der Duft von Ingwer und Vanille zog durch die offenen Räume.
Zu jeder anderen Zeit hätte sich Valerie von diesen Gerüchen in Versuchung führen lassen und die warmen Plätzchen gekostet, aber heute hatte sie keine Lust dazu gehabt. Ein Teil von ihr konnte immer noch nicht glauben, dass sich die Welt einfach weiterdrehte, die Leute ihr Leben weiterlebten, wo doch Camille in einem Leichenschauhaus lag und darauf wartete, dass Valerie die Vorbereitungen für die Beerdigung traf.
»Du musst darüber hinwegkommen«, sagte sie zu sich selbst, aber ihre Traurigkeit wollte nicht weichen, lauerte an den Rändern ihres Bewusstseins, bereit, ihre Gefühle vollkommen durcheinanderzubringen.
Also sah sie zu, dass sie beschäftigt war.
Heute hatte sie bei der Arbeit stets ihr Handy bei sich gehabt, in der Hoffnung, Montoya würde anrufen und ihr mitteilen, sie hätten Cammies Mörder geschnappt.
Doch das schien komplizierter zu sein, als sie zunächst angenommen hatte.
Val war sich anfangs sicher gewesen, dass Frank O’Toole das Leben ihrer Schwester ausgelöscht hatte, doch je länger sie darüber nachdachte, desto weniger hielt sie ihn für fähig, einen Mord zu begehen. Sie hatte ihm in die Augen gesehen, als sie mit ihm sprach, hatte die Verzweiflung über Camilles Tod darin erkannt.
Der Priester hatte mit einer solchen Inbrunst geschworen, Camille geliebt zu haben, dass Valerie ihm fast geglaubt hatte – auch wenn sie das nur äußerst ungern zugab.
Aber sie hatte ihm eben nur fast geglaubt.
Doch wenn es nicht Frank O’Toole gewesen war – wer dann hatte Camille so sehr gehasst? Und warum um alles in der Welt hatte sie ein Hochzeitskleid getragen?
Es musste sich um jemanden handeln, der damit eine Aussage treffen wollte.
Jemanden, der Zugang zu der Klosteranlage hatte und sich dort auskannte.
Jemanden, der Camille dazu hatte bringen können, ihm zu gehorchen.
Jemanden, der stark genug war, um die Kontrolle über sie zu erlangen.
»Verdammt noch mal«, flüsterte Val, als sie sich die Tatsache vor Augen rief, dass sich der Killer mit jeder verstreichenden Minute weiter dem Zugriff der Polizei entzog. Das durfte sie nicht zulassen. Sie musste Eigeninitiative zeigen und Cammies Mörder selbst ausfindig
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