Désirée
Zeremoniell von Reims und was weiß ich noch alles, durchführen, um der ganzen Welt einzuprägen, dass er eine erbliche Dynastie gegründet hat. Und nur, damit Joseph Kaiser wird, wenn er ihn überleben sollte, oder der kleine Sohn von Louis und Hortense.« »Aber er kann sie doch nicht einfach hinauswerfen!« Julies Augen wurden ganz feucht. »Sie hat sich mit ihm verlobt, als er sich nicht einmal neue Hosen kaufen konnte. Schritt für Schritt ist sie mit ihm gegangen, immer hat sie sich bemüht, ihm in seiner Karriere zu helfen, und jetzt ist ihre Krone geliefert worden, und die ganze Welt betrachtet sie als Kaiserin und –« »Nein, er kann nicht Karl den Großen spielen und sich vom Papst krönen lassen und gleichzeitig wie einkleiner Bürger in einen Scheidungsprozess verwickelt werden«, sagte ich. »Aber, wenn sogar ich das durchschaue, so weiß es Josephine, die hundertmal gescheiter ist als ich, schon lange. Napoleon muss auf ihrer Krönung bestehen und wird sich deshalb in aller Eile mit ihr kirchlich trauen lassen.«
»Und nach einer kirchlichen Trauung kann er sich nicht so leicht von ihr scheiden lassen, nicht wahr? Damit rechnet Josephine?«
»Ja, damit rechnet sie.«
»Außerdem liebt er sie. Auf seine Art natürlich. Aber er liebt sie und kann sie nicht einfach im Stich lassen.« »Nein?«, sagte ich nur. »Das kann er nicht? Glaub mir, Napoleon kann.«
Durch den Raum ging ein Kleiderrauschen. Man verneigte sich wieder tief, die Kaiserin war zurückgekehrt. Im Vorbeigehen nahm Josephine ein Glas Champagner von der Serviertasse eines Lakaien, rief Despreaux »Wir können noch einmal meinen Krönungszug proben« zu und steuerte dann zu uns herüber. »Onkel Fesch wird uns heute Nacht in aller Stille in der Schlosskapelle trauen«, sagte sie und trank hastig ein paar Schlucke. »Ist das nicht komisch? Nach beinahe neunjähriger Ehe! Nun, Madame la Maréchale, haben Sie es sich überlegt, soll ich Ihnen meine Saphire borgen?« Auf der Nachhausefahrt beschloss ich, mich nicht von Napoleon zu einem himmelblauen Kleid zwingen zu lassen. Morgen wird meine blassrosa Toilette – alle Marschallinnen sollen in Blassrosa erscheinen – von Le Roy geliefert werden, und ich werde eben in Blassrosa Josephines Taschentuch durch Notre-Dame tragen. Jean-Baptiste erwartete mich bereits im Esszimmer und wirkte wie ein hungriger Löwe oder zumindest so schlecht gelaunt, wie ich mir eben einen hungrigen Löwen vorstelle. »Was hast du so lange in den Tuilerien getrieben?«
»Zugehört, wie sich die Bonapartes miteinander streiten, und dann an der Probe teilgenommen. Übrigens hat man mir eine besondere Rolle zugeteilt. Ich werde nicht mit den anderen Marschallinnen angetanzt kommen, sondern ganz allein hinter Murat gehen und auf einem Kissen ein Taschentuch für Josephine tragen. Was sagst du zu dieser Auszeichnung?« Jean-Baptiste fuhr auf: »Ich will aber nicht, dass du eine Ausnahmestellung einnimmst. Joseph und dieser Affe, der Despreaux, haben sich das nur ausgedacht, weil du Julies Schwester bist. Und ich verbiete es. Verstehst du?« Ich seufzte. »Das nützt nichts. Joseph und Despreaux haben nichts damit zu tun. Der Kaiser wünscht es.« Ich hätte nie geglaubt, dass irgendetwas Jean-Baptiste derart aus der Fassung bringen könnte. Seine Stimme wurde plötzlich ganz heiser: »Was sagst du da?«
»Der Kaiser wünscht es. Ich kann doch nichts dafür.«
»Und ich dulde es nicht! Meine Frau darf sich nicht vor der ganzen Welt bloßstellen.« Jean-Baptiste brüllte jetzt derart, dass die Gläser auf dem gedeckten Tisch klirrten. Ich konnte seine Wut gar nicht begreifen. »Was ärgert dich denn so?«
»Mit den Fingern werden alle auf dich zeigen. Die Braut, werden sie sagen, Madame Jean-Baptiste Bernadotte, die große Jugendliebe des Kaisers, die er nicht vergessen kann! Seine kleine Eugénie, die er an seinem Krönungstag auszeichnen will. Nach wie vor – seine kleine Eugénie! Und ich werde zum Gelächter von ganz Paris, verstehst du?« Fassungslos starrte ich Jean-Baptiste an. Niemand weiß so genau wie ich, wie ihn sein gespanntes Verhältnis zu Napoleon quält. Wie er ständig von dem Gefühl, die Ideen seiner Jugend verraten zu haben, gemartert wird. Wie brennend er darauf wartet, dass sein Ansuchen, möglichst weit von Paris ein selbständiges Kommando zu erhalten, bewilligt wird. Und Napoleon lässtihn warten, warten und warten. Aber, dass diese Qual des Wartens zu einer Eifersuchtsszene führen
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