Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
Vom Netzwerk:
will Julie nicht wieder sehen. Julies königliche Handbewegung, sicherlich bei Monsieur Montel einstudiert, fegte alle aus dem Raum. Oscar stand auf und lief auf Julie zu. »Tante Julie, ich bin wieder gesund!« Wortlos schloss sie das Kind in die Arme. Hielt ihn dann an sich gedrückt und blickte mich über den Lockenkopf an. »Bevor du es im ›Moniteur‹ liest – und es wird morgen früh veröffentlicht werden –, will ich dir sagen, dass Jean-Baptiste Fürst von Ponte Corvo geworden ist.Gratuliere, Fürstin!« Sie lachte. »Gratuliere, kleiner Erbprinz von Ponte Corvo!« Sie küsste Oscars Wuschelkopf. »Das verstehe ich nicht, Jean-Baptiste ist doch kein Bruder des Kaisers«, war das Erste, was ich hervorbrachte. »Aber er verwaltet Hannover und Ansbach so wunderbar, der Kaiser will ihn auszeichnen«, jubelte Julie und ließ Oscar los. Trat dann ganz nahe an mich heran: »Freust du dich nicht, Durchlaucht? Du – Fürstin du!«
    »Ich nehme an –« Ich unterbrach mich: »Yvette, Champagner!« Yvette tanzte heran. »Ich werde zwar einen Schwips bekommen, wenn ich vormittags Champagner trinke«, meinte ich. »Aber seitdem du Marie so bös gemacht hast, kommt sie nicht mehr mit unserer Schokolade, wenn du mich besuchst. So – und jetzt sage mir, wo liegt Ponte Corvo?« Julie zuckte die Achseln. »Zu dumm, ich hätte Joseph fragen sollen! Ich weiß es nicht, Liebling … Aber das ist doch ganz gleichgültig, nicht wahr?«
    »Vielleicht müssen wir hinfahren und dort regieren«, warf ich ein. »Das wäre doch entsetzlich, Julie!«
    »Der Name klingt italienisch, es liegt sicher in der Nähe von Neapel«, meinte Julie tröstend. »Dann würdest du wenigstens in meiner Nähe wohnen. Aber –« Ihr Gesicht wurde wieder traurig: »Zu schön, um wahr zu sein. Dein Jean-Baptiste ist ja Marschall, der Kaiser braucht ihn doch auf seinen Feldzügen. Nein, du darfst sicher hier bleiben, und ich muss allein mit Joseph nach Neapel.«
    »Einmal müssen doch diese ewigen Kriege ein Ende nehmen.« Wir siegen uns noch zu Tode … Wer hat das zu mir gesagt? Jean-Baptiste. Frankreich hat keine Grenzen mehr zu verteidigen. Frankreich ist beinahe ganz Europa. Und wird vom Kaiser und von Joseph, von Louis und Caroline und Elisa regiert. Jetzt kommen auch noch die Marschälle an die Reihe …
    »Prost, Fürstin!« Julie hob ihr Champagnerglas. »Prost,Majestät!« Morgen wird es also im »Moniteur« zu lesen sein. Der Champagner prickelt angenehm süß. Wo liegt Ponte Corvo? Und wann kommt mein Jean-Baptiste endlich nach Haus …?

[ Menü ]
    Sommer 1807, in einem Reisewagen
irgendwo in Europa.
    M arienburg … So heißt mein Ziel, ich weiß leider nicht genau, wo Marienburg liegt, aber neben mir sitzt ein Oberst, den mir der Kaiser als Begleiter mitgegeben hat, und der hält eine Landkarte auf den Knien. Ab und zu ruft er dem Kutscher Anweisungen zu. Ich nehme daher an, dass wir Marienburg schließlich erreichen werden. Marie, mir gegenüber, schimpft ununterbrochen über die schlechten Straßen, in deren Morast wir so oft stecken bleiben. Ich glaube, wir fahren gerade durch Polen; wenn wir Halt machen, um die Pferde zu wechseln, höre ich eine Sprache, die nicht germanisch klingt. »Eine Abkürzung«, erklärte mir der Oberst. »Wir könnten auch durch Norddeutschland fahren, aber es wäre ein Umweg, und Durchlaucht haben es so eilig …« Ja, ich habe es sehr, sehr eilig. »Marienburg ist nicht weit von Danzig entfernt«, teilt mir der Oberst mit. Das sagt mir nichts, ich weiß auch nicht, wo Danzig liegt. »Auf diesen Straßen wurde noch vor ein paar Wochen gekämpft«, berichtet der Oberst. »Aber jetzt haben wir ja den Frieden.« Ja, Napoleon hat wieder einmal einen Friedensvertrag geschlossen. Diesmal in Tilsit. Die Deutschen hatten sich unter Preußens Führung erhoben und versucht, unsere Truppen aus dem Land zu jagen. Und die Russen haben sie dabei unterstützt. Der »Moniteur« hat uns alles über unseren glorreichen Sieg bei Jena berichtet. Und Joseph hat mir im Geheimen erzählt, dass Jean-Baptiste dem Kaiser den Gehorsam verweigert hat. Aus »strategischen Gründen« ist er einem Befehl nicht nachgekommen und hat dem Kaiser einfach erklärt, er könne ihn ja vor ein Kriegsgericht stellen lassen. Aber noch bevor es dazu kommen konnte, hat Jean-Baptiste General Blüchermit seiner Armee in Lübeck (weiß Gott, wo das wieder liegt!) eingeschlossen und die Stadt gestürmt. Dann kam der endlose Winter, in dem ich so wenige

Weitere Kostenlose Bücher