Désirée
Großwürdenträger gut leiden, er ist sehr witzig und charmant, spricht mit Frauen niemals über Kriege und Politik, und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass er früher einmal Bischof war. Dabei war er es wirklich, er war sogar der erste Bischof, der den Eid auf die Republik ablegte. Da er jedoch aus altadeligem Geschlecht stammte, nützte das nicht viel, und er wäre bestimmt von Robespierre verhaftet worden, wenn er nicht rechtzeitig nach Amerika entkommen wäre. Vor ein paar Jahren hat Napoleon den Papst gezwungen, Talleyrand aus den Weihen der Kirche zu entlassen. Napoleon verlangte nämlich, dass sein Außenminister heiraten und nicht ständig seine Geliebten wechseln sollte. (Napoleon ist sehr sittenstreng geworden, besonders in Bezug auf seinen Hofstaat!) Aber Talleyrand entschuldigte sich immer wieder und sagte, er könne wirklich nicht heiraten, er müsse im Zölibat leben. Auf die Dauer hat ihm die Ausrede nichts genützt, und er musste seine letzte Geliebte heiraten. Kaum war er mit ihr verheiratet, ließ er sich nie mehr mit ihr sehen. Von einem ehemaligen Bischof hätte ich das nicht erwartet … Wie dem auch sei, dieser mächtige Mann besuchte uns gestern und fragte: »Wie kommt es, dass ich Sie so lange nicht in Paris gesehen habe, lieber Fürst?« Worauf Jean-Baptiste höflich erwiderte: »Das kann Sie doch nicht wundern, Exzellenz, Sie werden vielleicht gehört haben, dass ich aus Gesundheitsrücksichten um Urlaub gebeten habe.« Talleyrand nickte ernst und erkundigte sich teilnahmsvoll, ob sich Jean-Baptiste schon wieder erholt habe. Und da Jean-Baptiste täglich stundenlang reitet und sehr braun gebrannt ist, musste er bekennen, dass es ihm bereits etwas besser gehe. »Haben Sie in letzter Zeit etwas Interessantes aus dem Ausland gehört?«, wollte Talleyrand daraufhin wissen. Das ist eine sehrdumme Frage. Erstens weiß Talleyrand besser als alle anderen, was im Ausland geschieht. Und zweitens – »Fragen Sie Fouché, er liest alle Briefe, die ich erhalte. Noch vor mir«, sagte Jean-Baptiste ruhig. »Übrigens habe ich nichts Nennenswertes aus dem Ausland gehört.«
»Nicht einmal Grüße von Ihren schwedischen Freunden erhalten?« An dieser Frage fand ich nichts Besonderes. Dass Jean-Baptiste in Lübeck einigen schwedischen Offizieren gegenüber sehr großmütig gewesen war und sie in ihre Heimat zurückgeschickt hatte, anstatt sie in Gefangenschaft zu halten, ist allgemein bekannt. Natürlich erhält er ab und zu auch einen Brief von diesen Leuten mit den unaussprechlichen Namen. Trotzdem schien die Frage eine gewisse Bedeutung zu haben. Denn Jean-Baptiste hob den Kopf und suchte Talleyrands Blick einzufangen. Dann nickte er. »Ja, das schon. Nichts sagende Grüße. Hat Ihnen Fouché nicht den Brief gezeigt?«
»Der ehemalige Mathematiklehrer ist ein sehr pflichteifriger Mann und hat mir natürlich den Brief gezeigt. Aber ich würde die Grüße nicht gerade als nichts sagend bezeichnen. Allerdings auch noch nicht als besonders viel versprechend.«
»Die Schweden haben bereits im März ihren geisteskranken König Gustaf abgesetzt und seinen Onkel, den dreizehnten Carl, zum König ausgerufen«, bemerkte Jean-Baptiste. Das begann mich zu interessieren. »Wirklich? Dieser Gustaf, der sich eingebildet hat, vom Himmel dazu ausersehen zu sein, den Kaiser zu besiegen, ist abgesetzt worden?« Ich erhielt keine Antwort. Talleyrand und Jean-Baptiste sahen einander noch immer in die Augen. Die Stille erschien mir drückend. »Glauben Sie nicht, Exzellenz, dass dieser Gustaf wirklich wahnsinnig ist?«, sagte ich, um die Stille zu unterbrechen. »Das kann ich schwer von hier aus beurteilen«, sagte Talleyrand und lächeltemich an. »Aber ich bin überzeugt davon, dass sein Onkel für die Zukunft Schwedens von höchster Bedeutung ist. Dieser Onkel ist nämlich schon recht altersschwach und kränklich. Und – kinderlos ist er auch, wenn ich nicht irre, Fürst?«
»Er hat einen jungen Verwandten adoptiert und zum Thronfolger bestimmt. Prinz Christian August von Holstein-Sonderburg-Augustenburg.«
»Wie ausgezeichnet Sie diese fremden Namen aussprechen«, bewunderte Talleyrand. »Ich habe doch lange genug in Norddeutschland gelebt, da gewöhnt man sich an diese Namen«, meinte Jean-Baptiste. »Für die schwedische Sprache haben Sie sich nicht interessiert, lieber Freund?«
»Nein, Exzellenz, dazu hatte ich bisher keinen Anlass.«
»Das wundert mich … Vor einem Jahr, als Sie mit Ihren Truppen in
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