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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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wir vor dem riesigen Schreibtisch. Das Kind in unserer Mitte. Ich versank im Hofknicks und richtete mich wieder auf. Der Kaiser rührte sich nicht, sondern sah nur Jean-Baptiste an. In den schillernden Augen glomm ein böser Funke. Plötzlich sprang Napoleon auf, stieß den Stuhl zurück, kam hinter dem Schreibtisch hervor und brüllte: »In welchem Aufzug wagen Sie es, vor Ihrem Kaiser und Oberbefehlshaber zu erscheinen, Herr Marschall?«
    »Die Uniform ist eine Nachahmung der schwedischenReichsmarschallsuniform, Sire«, antwortete Jean-Baptiste. Er sprach sehr leise, abgehackt. »Und Sie wagen, in einer schwedischen Uniform hier zu erscheinen? Sie – ein Marschall von Frankreich?« – Etwas Kalk träufelte von einer Stuckverzierung an der Decke, er schrie wie ein Wahnsinniger. Ich dachte, dass es Majestät gleichgültig ist, welche Uniformen von den Marschällen getragen werden«, sagte Jean-Baptiste ruhig. »Ich habe nämlich den Marschall Murat, König von Neapel, wiederholt in sehr merkwürdigen Uniformstücken bei Hof gesehen.« Das saß. Der kindische Marschall Murat setzt sich Straußenfedern auf den Dreispitz, lässt sich den Waffenrock mit Perlen schmücken und trägt Goldstickereien auf den Reithosen. Der Schwager Napoleons hat eine Schwäche für diese Kostüme. Und der Kaiser belacht sie, ohne sie zu rügen. »Seine Majestät, mein königlicher Schwager, hat sich eine Phantasieuniform zugelegt. Soweit ich informiert bin, handelt es sich um – eigene Erfindungen.« – Der Anflug eines Lächelns umspielte den schmalen Mund, verlöschte aber sofort. »Aber Sie wagen es, in einer schwedischen Uniform zu erscheinen. Vor ihrem Kaiser!« Napoleon stampfte vor Wut und schöpfte dann tief Atem. Oscar verkroch sich beinahe in meinem Rock. »Nun – antworten Sie, Herr Marschall!«
    »Ich habe es für richtig gehalten, mich zu dieser Audienz in einer schwedischen Uniform zu melden. Es war nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen, Sire. Übrigens handelt es sich auch bei mir um eigene Erfindung. Wenn Majestät sehen wollen –« Er zog die Schärpe in die Höhe und ließ den Gürtel sehen. »Ich trage den Gürtel meiner alten Marschallsuniform, Sire.« »Lassen Sie diese Entkleidungsszenen, Fürst! Zur Sache!« Die Stimme des Kaisers klang plötzlich gehetzt, er sprach sehr schnell. Die Ouvertüre, die uns einschüchtern sollte, war zu Ende. Wie einSchauspieler, dachte ich und fühlte mich ganz erschöpft. Wird er uns keinen Stuhl anbieten? Er dachte gar nicht daran. Stand hinter seinem Schreibtisch und starrte auf ein Schriftstück nieder: das Gesuch Jean-Baptistes. »Sie haben mir ein sehr merkwürdiges Gesuch überreichen lassen, Fürst. Sie sprachen darin die Absicht aus, sich vom schwedischen König adoptieren zu lassen, und ersuchen um die Genehmigung, die französische Staatsbürgerschaft abzulegen. Ein seltsames Schriftstück. Beinahe unverständlich, wenn man zurückdenkt … Aber Sie denken wahrscheinlich nicht zurück, Herr Marschall von Frankreich?« Jean-Baptiste hatte die Lippen zusammengepresst. »Denken Sie wirklich nicht zurück? Zum Beispiel an die Zeit, in der ein junger Rekrut auszog, um die Grenzen des neuen Frankreich zu verteidigen? Oder an die Schlachtfelder, auf denen sich dieser Rekrut als Sergeant, als Leutnant, als Oberst und schließlich als General der französischen Armee geschlagen hat? Und an den Tag, an dem der Kaiser der Franzosen Sie zum Marschall von Frankreich ernannt hat?« Jean-Baptiste schwieg. »Es ist noch gar nicht so lange her, dass Sie ohne mein Wissen die Grenzen Ihres Vaterlandes verteidigt haben.« Er lächelte plötzlich, werbend wie einst: »Vielleicht haben Sie sogar – ohne mein Wissen – Frankreich gerettet! Ich habe Ihnen schon einmal – es ist sehr lange her, und da Sie sich leider an Ihre Vergangenheit nicht erinnern, so werden Sie auch das vergessen haben – ja, ich habe ihnen schon einmal gesagt, dass ich nicht auf die Dienste eines Mannes wie Sie verzichten kann. Es war in den Tagen des Brumaire. Vielleicht erinnern Sie sich doch? Hätte Ihnen damals die Regierung den Befehl dazu erteilt, so hätten Sie und Moreau mich erschießen lassen. Die Regierung hat Ihnen den Befehl nicht erteilt. Bernadotte, ich wiederhole – ich kann auf Sie nicht verzichten.« Er setzte sich und schob das Gesuch etwas zur Seite. Sahauf und bemerkte beiläufig: »Da sich das schwedische Volk Sie –«, er zuckte mit den Achseln, lächelte spöttisch – »ausgerechnet Sie

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