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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Seidengeschäft, du erinnerst dich doch noch an Persson, Marie? Vielleicht kannst du dich bis zu dieser Straße durchfragen und herausfinden, ob es dort noch ein Seidengeschäft Persson gibt. Wenn ja, dann verlange den jungen Persson zu sprechen.« »Er wird gar nicht mehr so jung sein«, brummte Marie. »Du musst ihm erzählen, dass ich hier bin«, sagte ich. »Vielleicht weiß er gar nicht, dass die neue Kronprinzessin die ehemalige Eugénie Clary ist. Und wenn er sich an mich erinnern sollte, Marie, dann sag ihm, er soll mich besuchen!« »Ich weiß nicht, ob das sehr gescheit ist, Eugénie.« »Gescheit! Das ist mir ganz egal. Stell dir doch vor, Persson käme mich besuchen, und ich hätte hier jemanden, der unsere Villa in Marseille gekannt hat und den Garten und sogar das Gartenhäuschen, in dem sich Julie verlobt hat, und Mama und Papa und – Marie, ein Mensch, der genau weiß, wie alles einmal war. Du musst es versuchen, Marie, du musst ihn finden!« Und Marie versprach es mir, und ich hatte endlich etwas, worauf ich mich freuen konnte. Am Abend desselben Tages zog die Königin den schweren Siegelring vom Finger des Königs und steckte ihn Jean-Baptiste an. Dies bedeutet,dass der König ihn mit der Führung der Regierungsgeschäfte betraut hatte. Aber nicht, dass er die Regentschaft antreten durfte.
    Der Himmel war wirklich wie eine frisch gewaschene Bettdecke, und grüne Eisschollen schwammen im Mälar. Die Fluten unter dem grünen Eis schwollen an und brausten, der Schnee schmolz, donnernd zersplitterte das Eis. Seltsam – nicht sanft kommt der Frühling in dieses Land. Sondern tobend, leidenschaftlich kämpfend. Und trotzdem sehr langsam … An einem dieser allerersten Frühlingsnachmittage erschien die Lewenhaupt bei mir. »Ihre Majestät lässt Königliche Hoheit bitten, eine Tasse Tee im Salon Ihrer Majestät einzunehmen.« Das überraschte mich. Jeden Abend soupieren Jean-Baptiste und ich allein mit dem Kind und verbringen mindestens eine Stunde mit der Königin. Dem König geht es übrigens viel besser, er sitzt wieder in seinem gewohnten Lehnstuhl, ein kindliches Lächeln um den Greisenmund. Nur der linke Mundwinkel hängt etwas herab. Aber allein habe ich die Königin noch nie besucht. Wozu auch? Wir haben einander doch nichts zu sagen. »Melden Sie mich bei Ihrer Majestät«, sagte ich sofort zur Lewenhaupt und trat schnell in mein Ankleidezimmer. Bürstete mein Haar, nahm den pelzgefütterten Schal um, den mir Jean-Baptiste neulich geschenkt hat, und trat die Wanderung über die eiskalten Marmortreppen in den Salon Ihrer Majestät an. Sie saßen rund um ein kleines Tischchen – alle drei. Königin Hedvig Elisabeth Charlotte, meine Adoptiv-Schwiegermutter, die mich lieben sollte. Königin Sophia Magdalena, die allen Grund hat, mich zu hassen. Der Mann ermordet, der Sohn verbannt, der Enkel aller Anrechte auf die Krone beraubt und in Oscars Alter. Und Prinzessin Sofia Albertina, der ich gleichgültig sein konnte. Die alte Jungfer mit verblühtem Gesicht, dem flachen Busen, der kindlichen Schleifeim Haar und den geschmacklosen Bernsteinperlen um den dürren Hals. Die drei Damen stickten. »Setzen Sie sich, Madame«, sagte die Königin. Die drei Damen stickten weiter. Winzige Rosenblüten in rosa-violetten Farben ringelten sich in ihren Stickrahmen. Dann wurde Tee serviert. Die Damen ließen ihre Stickrahmen sinken und rührten in ihren Tassen. Ich trank hastig ein paar Schlucke und verbrannte mir die Zunge. Auf einen Wink der Königin verließen die Lakaien den Salon. Nicht eine einzige Hofdame war zugegen. »Ich möchte mit Ihnen sprechen, liebe Tochter«, sagte die Königin. Prinzessin Sofia Albertina zeigte in schadenfrohem Lächeln die langen Zähne. Die Königinwitwe dagegen blickte gleichgültig in ihre Teetasse. »Ich möchte Sie fragen, liebe Tochter, ob Sie selbst das Gefühl haben, Ihren Verpflichtungen als Kronprinzessin von Schweden nachzukommen?« Ich fühlte, dass ich rot wurde. Die blassen kurzsichtigen Augen bohrten sich erbarmungslos in mein errötendes Gesicht. »Das weiß ich nicht, Madame«, brachte ich schließlich hervor. Die Königin zog die dunklen, stark geschwungenen Augenbrauen in die Höhe: »Sie wissen es nicht?« »Nein«, sagte ich. »Ich kann es nicht beurteilen. Ich bin doch zum ersten Mal Kronprinzessin. Und erst seit sehr kurzer Zeit.« Prinzessin Sofia Albertina begann zu meckern. Wirklich, sie meckerte wie eine Ziege. Die Königin hob irritiert die Hand. Ihre

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