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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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keine Sorgen mache. Deshalb nahm er ihn bei meinem Eintritt sofort ab. »Ist etwas Besonderes geschehen, Désirée?« – »Nein. Ich möchte nur mit dir sprechen.« – »Eilt es?« – Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich werde mich ganz still in eine Ecke setzen und warten, bis du mit den Herren fertig bist.« Ich zog einen Lehnstuhl an den großen runden Ofen und wärmte mich. Zuerst hörte ich sogar zu. Jean-Baptiste sagte: »Wir müssen uns klar darüber sein, dass der schwedische Reichstaler gegenwärtig die schlechteste Währung Europas ist!« – Und: »Ich verbiete, dass wir die wenigen englischen Pfunde, die wir schwer genug durch unseren heimlichen Handel mit England verdienen, für nicht notwendige Waren ausgeben.« – Oder: »Ich muss mich aber hineinmischen, ich opfere mein ganzes Privatvermögen, um die Kurse zu regulieren, ich soll mobilisieren und kann dabei unseren Eisenwerken und Sägemühlen keine Männer entziehen, ich muss Artillerie anschaffen, oder glauben Sie, dass man heuteSchlachten mit dem Säbel in der Faust gewinnt?« Dann begann ich, meine eigenen Gedanken zu ordnen, und spürte ganz deutlich, dass ich Recht hatte, und wurde sehr ruhig. Nur weh war mir zumute, so unsagbar weh. Jean-Baptiste hatte meine Anwesenheit vergessen und den grünen Augenschirm wieder aufgesetzt. Er hielt ein Aktenstück dicht vor die Augen. »Ich hoffe, dass Engström endlich die Bedeutung dieser Angelegenheit einsieht. Wir haben ein paar englische Matrosen in einer Hafenkneipe in Göteborg angehalten, und England hat drei Schweden festgenommen, um Frankreich zu zeigen, dass wir wirklich miteinander Krieg führen. Jetzt schickt die englische Regierung einen ihrer klügsten Diplomaten herüber, um über den Austausch der Gefangenen zu beraten. Ich verlange, dass Engström selbst mit diesem Herrn Thornton spricht.« Er hob den Kopf. »Ich möchte, dass auch Suchtelen informiert wird. Vielleicht könnte er an dieser Unterredung teilnehmen. In aller Stille natürlich.« Suchtelen ist der russische Botschafter in Stockholm. Der Zar ist zwar noch immer mit Napoleon verbündet, aber er hat zu rüsten begonnen, und Napoleon zieht Truppen in Pommern und Polen zusammen. Will Jean-Baptiste heimlich eine Verständigung zwischen Frankreichs Feinden, den Engländern, und Russland herbeiführen? »Vielleicht kann man bei dieser Gelegenheit mit Suchtelen wieder über Finnland sprechen«, bemerkte einer der Herren. Jean-Baptiste seufzte irritiert: »Sie kommen immer wieder darauf zurück. Sie langweilen den Zaren und –«, er unterbrach sich. »Verzeihen Sie, meine Herren, ich weiß, was Finnland für Sie bedeutet. Man wird mit Suchtelen wieder darüber sprechen, ich werde auch in meinem nächsten Schreiben an den Zaren die Frage streifen. Wir setzen morgen fort. Ich wünsche Ihnen einen guten Abend!« Die Herren verneigten sich vor Jean-Baptiste. Verneigten sich vor mir, steuertendann, mit dem Rücken zur Tür gewandt, aus dem Zimmer. Das Holz im Ofen krachte. Jean-Baptiste hatte den Augenschirm abgenommen und hielt die Augen geschlossen. Sein Mund erinnerte mich an Oscars schlafendes Gesicht – müde und zufrieden. Wie gern er regiert, dachte ich. Wie gern. Und wahrscheinlich auch sehr gut. »Nun, was gibt es, kleines Mädchen?« »Ich reise, Jean-Baptiste. Wenn es Sommer wird und die Straßen besser sind. Dann fahre ich nach Hause, Liebster«, sagte ich leise. Erst jetzt öffnete er die Augen. »Bist du verrückt geworden? Du bist doch zu Hause! Hier, im Königlichen Schloss in Stockholm! Im Sommer werden wir nach Drottningholm übersiedeln, in die Sommerresidenz. Ein reizendes Lustschloss, ein großer schöner Park, es wird dir dort sehr gut gefallen.« »Ich muss aber fahren, Jean-Baptiste. Es ist das einzig Richtige«, beharrte ich. Und berichtete ihm Wort für Wort meine Unterredung mit der Königin. Er hörte mich schweigend an. Die steilen Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. Plötzlich brach es los. Wie ein Gewitter: »Und diesen Unsinn muss ich mir anhören! Ihre Majestät und Ihre Königliche Hoheit können sich nicht vertragen. Übrigens hat die Königin Recht, du benimmst dich nicht immer wie – nun, wie es der schwedische Hof erwartet. Du wirst es schon lernen, warum sollst du es nicht lernen? Aber ich kann mich jetzt mit diesen Dingen weiß Gott nicht befassen. Bist du dir eigentlich klar darüber, was sich abspielt? Und was sich in den allernächsten Jahren abspielen wird?« Er stand auf und kam auf

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