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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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gebeten, persönlich in Christiania zu erscheinen, um die Vereinigung Norwegens mit Schweden zu bestätigen. Wir kehrten alle nach Stockholm zurück, und Papa verlangte, dass der alte König in einem offenen Wagen durch die Straßen fuhr. Das Volk jubelte, und dem alten Herrn liefen die Tränen über die Wangen. Außer den Norwegern wissen nur unsere Artilleristen, dass mit Blindgängern geschossen wurde. Nach vier Tagen reisten Papa und ich nach Norwegen. Papa wurde vom Grafen Brahe und den Marschällen Adlercreutz und von Essen begleitet. Ich musste neben meinem unvermeidlichen Cederström reiten. Wir mussten in Zelten übernachten, weil Papa den Bauern nicht zur Last fallen wollte. Meistens konnten wir vor Kälte nicht schlafen. Endlich erreichten wir die kleine Stadt Frederikshald und wohnten dort beim Bürgermeister. Papa ließ uns endlich wieder in Betten schlafen … Von Frederikshald aus machten wir täglich lange Spazierritte. Papa wollte das Land kennen lernen. Die Bauern starrten uns an und grüßten nicht. Ich lege ein kleines Lied bei, Mama, das ich Regenlied nenne und während dieser endlosen Ritte komponiert habe. Hoffentlich findest du die Melodie nicht zu traurig. Wir ritten auch zwischen den grauen Mauern der Festung Frederiksten herum, in der sich einst die Norweger gegen den Schwedenkönig Carl XII. verteidigt haben. Der wollte Schweden in eine Großmacht verwandeln und Russland erobern.Aber in Russland sind ihm die meisten seiner Truppen erfroren. Dann zog er in die Türkei, um von dort aus die Russen zu schlagen. Zuletzt konnten die Schweden gar kein Geld mehr für seine Kriege aufbringen. Da wollte er Norwegen erobern. Und bei der Belagerung von Frederiksten traf ihn eine Kugel … Auf unserem Ritt durch Regen und Nebel starrte uns plötzlich ein großes Holzkreuz entgegen. »An dieser Stelle ist Carl XII. gefallen«, hieß es. Wir stiegen alle vom Pferd. Papa winkte mich zu sich. »Oscar, hier ist der größte Dillettant auf militärischem Gebiet umgekommen. Versprich mir, die Schweden niemals selbst in den Krieg zu führen, ja?« »Aber Papa, du führst doch auch das Oberkommando!«, warf ich ein. »Ich habe als Sergeant begonnen und nicht als Erbprinz«, sagte er noch. Da begannen schon von Essen und Adlercreutz ein Vaterunser zu beten. Papa betete nicht mit, sondern sah mich ununterbrochen an. (Papa betet nie!) Als die Marschälle »Amen« sagten, wandte er sich schnell um, und wir ritten weiter. »Übrigens bin ich der Ansicht, dass die Kugel, die euren Heldenkönig tötete, aus den eigenen Reihen kam«, sagte er plötzlich. »Ich habe alle Dokumente, die ich über diesen Vorfall finden konnte, studiert. Der Mann war ein Unglück für Schweden, meine Herren. Vergessen Sie ihn, ich bitte Sie, vergessen Sie ihn!« »Hoheit, darüber sind die Ansichten geteilt«, sagte Adlercreutz gekränkt. Mama, du musst immer sehr vorsichtig über Carl XII. sprechen! Gestern Abend fuhren wir endlich in einem Galawagen, den wir uns aus Stockholm kommen ließen, in Christiania ein. Ich glaube, Papa hatte Festbeleuchtung und Jubelrufe erwartet. Die Straßen waren stockfinster und menschenleer. Plötzlich krachten irgendwo in der Finsternis Kanonen. Papa zuckte zusammen. Aber es waren nur Salutschüsse, ich habe es mir gleich gedacht. Der Wagen hielt vor dem Palais des ehemaligen dänischen Statthalters. EineEhrenkompanie präsentierte das Gewehr. Papa schaute entsetzt die abgetragenen Uniformen und ungleich ausgerichteten Stiefel an. Dann betrachtete er das Palais, das wie ein gewöhnliches Bürgerhaus aussieht, einstöckig und sehr bescheiden. Er schüttelte den Kopf und stürmte dann mit Riesenschritten in den einzigen Saal des Hauses. Ich hinter ihm. Die Marschälle und Adjutanten im Laufschritt, um uns nachzukommen. Es muss wahnsinnig komisch gewirkt haben. Der norwegische Reichstagspräsident und die Regierungsmitglieder erwarteten uns. Ein mächtiges Holzfeuer warf rote zuckende Lichter über die düstere Versammlung. Papa trug den violetten Parademantel und den Hut mit den Straußenfedern. Stortings-Präsident Christie begrüßte Papa in ausgezeichnetem Französisch. Papa setzte sein mitreißendes Lächeln auf, drückte den ernsten Herren die Hand und überbrachte die Grüße seiner Majestät, des Königs von Schweden und Norwegen. Worauf die düsteren Gesellen sich Mühe gaben, nicht laut zu lachen. Ich glaube, die Norweger haben Humor! Der alte Herr in Stockholm hat doch nichts mit dieser Union zu

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