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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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weißes Musselinkleid und weiße Sandalen. Yvette wollte mich schön frisieren, aber ich konnte nicht still sitzen. Während ich mir noch die Nase puderte, meldete man mir bereits, dass die Herren gekommen seien. Die Herren … Welche Herren? Wegen der Hitze waren alle Fensterläden des großen Salons geschlossen. Die Dämmerung verwischte alle Umrisse. Auf dem Sofa unter dem großen Porträt des Ersten Konsuls saßen drei Herren. Bei meinem Eintritt erhoben sie sich. Es waren die Vertreter der Nation. Die Nation ließ sich von den Exzellenzen Fouché und Talleyrand vertreten. Den Mann in ihrer Mitte kannte ich nicht. Er war klein und sehr mager. Trug eine altmodische weiße Perücke und eine verblasste, fremde Uniform. Als ich näher trat, sah ich, dass seine Wangen und seine Stirn verrunzelt waren. Aber die Augen leuchteten seltsam hell in dem alten Gesicht. »Hoheit,dürfen wir Ihnen den General Lafayette vorstellen?«, sagte Talleyrand. Mein Herzschlag setzte aus. Die Nation. Die Nation war wirklich zu mir gekommen … Ich knickste tief und ungeschickt wie ein Schulmädchen. Fouchés klanglose Stimme zerschnitt die Stille. »Hoheit, im Namen der französischen Regierung –« »Sie sind wirklich zu mir gekommen, General Lafayette?«, flüsterte ich. Lafayette begann zu lächeln – so schlicht, so herzlich. Ich fasste Mut.
    »Mein Papa hat sich nie von jenem ersten Druck der Menschenrechte getrennt, das Blatt lag bis zu seinem Tode in seinem Zimmer. Ich hätte nie geglaubt, dass ich die Ehre haben werde, Lafayette persönlich – und noch dazu in meinem Salon –« Ich stockte verwirrt. »Hoheit, im Namen der französischen Regierung, die Außenminister Talleyrand und ich repräsentieren, und im Namen der Nation, die der Abgeordnete General Lafayette vertritt, wenden wir uns in dieser ernsten Stunde an Sie«, begann wieder Fouché. Erst jetzt sah ich von einem zum anderen. Fouché, einer der fünf Direktoren, die im Augenblick Frankreich regieren, Talleyrand, der erst vorgestern vom Wiener Kongress zurückgekehrt ist, wo er die ganze Zeit über das Frankreich der Bourbonen vertreten hat. Beide Exminister Napoleons, beide mit Orden behängt, beide in goldbestickten Fräcken. Und zwischen ihnen Lafayette in einer abgetragenen Uniform ohne Stern. »Kann ich etwas für Sie tun, meine Herren?«, fragte ich erstaunt.
    »Ich habe eine Situation wie diese seit langem vorausgesehen, Hoheit«, sagte Talleyrand. Er sprach sehr leise, sehr schnell. »Vielleicht werden sich Hoheit erinnern, dass ich einst angedeutet habe, dass sich die Nation möglicherweise einmal mit einer großen Bitte an Sie wenden wird. Hoheit erinnern sich?« Ich nickte. »Diese Situation ist jetzt eingetreten. Die französische Nation wendet sich mit ihrerBitte an die Kronprinzessin von Schweden.« Meine Hände wurden feucht vor Angst.
    »Ich möchte Hoheit ein Bild der Lage geben«, erklärte Fouché. »Die verbündeten Truppen stehen vor Paris. Der Fürst von Benevent als Minister des Äußeren ist mit den Feldherren Wellington und Blücher in Verbindung getreten, um einen Sturm auf Paris zu vermeiden und Zerstörung und Plünderung zu verhüten. Wir bieten selbstverständlich bedingungslose Kapitulation an.«
    »Die Oberbefehlshaber der verbündeten Truppen haben uns wissen lassen, dass sie nur unter einer einzigen Bedingung geneigt sind, sich in diesbezügliche Verhandlungen einzulassen«, sagte Talleyrand ruhig. »Und diese Bedingung ist –«
    »General Bonaparte hat Frankreich unverzüglich zu verlassen!« Fouchés Stimme überschlug sich. Eine kleine Pause entstand. Was will man denn von mir? Ich sah Talleyrand an. Aber Fouché sprach weiter. »Obwohl wir diesen Wunsch der Regierung, diesen Wunsch der französischen Nation dem General Bonaparte ausdrücklich mitgeteilt haben, so ist seine Abreise nicht erfolgt. Im Gegenteil –« Fouchés Stimme zitterte vor Wut. »Der General ist mit einem so ungeheuerlichen Vorschlag an uns herangetreten, dass man sich des Eindruckes nicht erwehren kann, einen Wahnsinnigen in Malmaison zu beherbergen. Der General Bonaparte hat gestern seinen Adjutanten Graf Flahault mit dem Anerbieten nach Paris geschickt, sich an die Spitze der Reste der Armee zu stellen und den Feind vor den Toren von Paris zurückzuschlagen. Mit einem Wort – ein Blutbad vor Paris!« Mein Mund war ganz trocken. Ich schluckte ein paar Mal. Es half nichts. »Wir haben das Anerbieten des Generals Bonaparte entschieden abgelehnt und ihn

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