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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Begräbnissen auftaucht, erkundigte sich, wann ich heiraten würde. Da wurde unsere Mama zum ersten Mal wirklich energisch. Sie wandte sich Napoleone zu und legte beide Hände in flehender Gebärde gegen seine Brust. »General Buonaparte, versprechen Sie mir eines – warten Sie mit der Hochzeit, bis Eugénie sechzehn Jahre alt ist, ja?«
    »Madame Clary –«, lächelte Napoleone, »nicht ich habe zu bestimmen, sondern Sie selbst, Monsieur Etienne und Mademoiselle Eugénie.« Aber Mama schüttelte den Kopf: »Ich weiß nicht, was es ist, General Buonaparte – Sie sind ja noch so jung und trotzdem, ich habe das Gefühl –« Sie stockte, sah ihn an und lächelte traurig: »Ich habe das Gefühl, dass man sich stets Ihren Wünschen fügt. Zumindest in Ihrer Familie und – seitdem wir Sie kennen, auch in unserer. Ich wende mich daher an Sie – Eugénie ist noch so jung, bitte warten Sie, bis sie sechzehn Jahre alt ist!«Worauf Napoleone wortlos Mamas Hand an die Lippen zog. Und ich wusste, dass dies ein Versprechen war.
    Bereits am nächsten Tag erhielt Napoleone den Befehl, sich sofort in der Vendée unter das Oberkommando von General Hoche zu stellen und eine Infanteriebrigade zu kommandieren. Ich hockte in der warmen Septembersonne im Gras und sah zu, wie er blass vor Wut vor mir auf und ab marschierte und einen Wortstrom über mich ergehen ließ, um mir zu erklären, wie gemein man ihn behandele. In die Vendée! Um dort versteckte Royalisten aufzuspüren! Ein paar ausgehungerte Aristokraten mit ihren fanatisch ergebenen Bauern! »Ich bin Artilleriespezialist und nicht Gendarm!«, schrie er mich an. Auf und ab rannte er, auf und ab, die Hände auf dem Rücken ineinander verschlungen. »Sie gönnen mir nicht den Triumph eines Kriegsgerichtes, sie vergraben mich lieber in der Vendée – wie einen für den Ruhestand überreifen Oberst! Halten mich von der Front fern, lassen mich in Vergessenheit geraten –« Wenn er wütend war, schimmerten seine Augen gelblich und waren durchsichtig wie Glas.
    »Du kannst ja den Abschied nehmen«, sagte ich leise. »Ich kann für das Geld, das Papa für meine Mitgift bestimmt hat, ein kleines Landhaus kaufen. Und vielleicht etwas Grundbesitz dazu. Wenn wir tüchtig wirtschaften und –«
    Er blieb mit einem Ruck stehen und starrte mich an. »Aber, wenn dir der Gedanke zuwider ist, so könntest du vielleicht bei Etienne in der Firma –«, sprach ich schnell weiter. »Eugénie, bist du verrückt? Oder meinst du im Ernst, dass ich mich in ein Bauernhaus setzen und Hühner züchten werde? Oder im Kramladen deines Herrn Bruders Seidenbänder verkaufe?« »Ich wollte dich nicht beleidigen, ich dachte nur, es wäre ein Ausweg.« Er lachte.Lachte grell und schüttelte sich unnatürlich vor Lachen. »Ein Ausweg! Ein Ausweg für Frankreichs besten Artilleriegeneral! Oder weißt du am Ende gar nicht, dass ich Frankreichs bester General bin?« Dann rannte er wieder auf und ab, diesmal schweigend. Plötzlich: »Ich reite morgen.«
    »In die Vendée?«
    »Nein, nach Paris. Ich werde mit den Herren im Kriegsministerium sprechen.«
    »Aber ist das nicht – ich meine, beim Militär nimmt man es doch sehr genau, wenn jemand einem Befehl nicht nachkommt, nicht wahr?«
    »Ja, sehr genau. Wenn sich einer meiner Soldaten einem Befehl widersetzt, lasse ich ihn erschießen. Vielleicht lässt man mich auch erschießen, wenn ich in Paris ankomme. Junot und Marmont nehme ich mit.« Junot und Marmont, seine Personaladjutanten seit den Tagen von Toulon, lungerten noch immer in Marseille herum. Sie betrachteten sein Schicksal als das ihre. »Kannst du mir Geld borgen?«
    Ich nickte. »Junot und Marmont können ihre Zimmerrechnung nicht bezahlen. Sie haben ebenso wie ich seit dem Tag meiner Verhaftung keine Gage mehr erhalten. Ich muss sie aus ihrem Gasthaus auslösen. Wie viel kannst du mir borgen?«
    Ich hatte für eine Galauniform für ihn gespart. Achtundneunzig Francs lagen unter den Nachthemden in meiner Kommode. »Gib mir alles, was du hast«, sagte er, und ich lief in mein Zimmer und holte das Geld. Er steckte die Scheine ein, zog sie dann wieder hervor, zählte sie genau und sagte: »Ich schulde dir also achtundneunzig Francs.« Dann nahm er mich bei den Schultern und drückte mich an sich. »Du wirst sehen, dass ich ganz Paris davon überzeuge – sie müssen mir den Oberbefehl in Italien geben. Sie müssen!«
    »Wann reitest du?«
    »Sobald ich meine Adjutanten ausgelöst habe. Und vergiss nicht,

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