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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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schreib mir oft! An das Kriegsministerium in Paris, von dort wird mir die Post schon an die Front nachgeschickt werden, und sei nicht traurig –«
    »Ich werde viel zu tun haben, ich muss Monogramme in meine Aussteuer sticken.« Er nickte eifrig: »B, B und wieder B – Frau General Buonaparte!« Und dann band er sein Pferd los, das er zu Etiennes Ärger wieder an unseren Gartenzaun festgebunden hatte, und ritt der Stadt zu. Der kleine Reiter auf der stillen Villenstraße wirkte schmächtig und sehr einsam.

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    Paris, 12 Monate später – Fructidor
Jahr III. (Ich bin von Zuhause
durchgebrannt!)
    E s gibt nichts Unangenehmeres, als von Zuhause durchzubrennen. Ich habe seit zwei Nächten kein Bett gesehen. Mein Rücken tut so weh, weil ich vier Tage lang ununterbrochen in der Postkutsche gesessen habe. Ich glaube, dort, wo man sitzt, bin ich ganz blau geschlagen – Postkutschen sind schrecklich schlecht gefedert. Geld für die Rückreise habe ich auch nicht. Aber das brauche ich nicht. Ich bin ja durchgebrannt. Es gibt kein Zurück. Vor zwei Stunden bin ich in Paris angekommen. Es war schon gegen Abend, und in der Dämmerung sahen alle Häuser gleich aus. Graue Häuser, eines neben dem anderen, ohne Vorgärten. Häuser und wieder Häuser. Ich habe nicht geahnt, dass Paris so groß ist. Ich war die Einzige in unserer Postkutsche, die zum ersten Mal nach Paris kam. Der schnaufende Herr Blanc, der vor zwei Tagen in unsere Kutsche eingestiegen ist und in Paris geschäftlich zu tun hat, führte mich zu einem Mietwagen. Ich zeigte dem Kutscher den Zettel, auf den ich die Adresse von Maries Schwester aufgeschrieben hatte. Der Kutscher bekam mein letztes Geld und war sehr grob, weil ich ihm kein Trinkgeld geben konnte. Die Adresse stimmte, und Maries Verwandte, die Clapain heißen, waren gottlob zu Hause. Sie wohnen in einem Hinterhaus in der Rue du Bac. Ich habe keine Ahnung, in welchem Teil von Paris die Rue du Bac liegt. Nicht weit von den Tuilerien entfernt, glaube ich, wir sind am Palast vorbeigefahren, und ich habe ihn nach den Bildern erkannt. Ich kneife mich fortwährend in den Arm, um zu sehen, ob ich nicht träume. Ich bin wirklich in Paris, ich habe wirklich die Tuilerien gesehen, und ich bin wirklich durchgebrannt.
    Maries Schwester, die Madame Clapain, war sehr freundlich zu mir. Zuerst war sie ganz verlegen und trocknete sich fortwährend die Hände an der Schürze ab, weil ich doch die Tochter von Maries »Herrschaft« bin. Aber dann sagte ich ihr, dass ich heimlich in Paris sei, um eine gewisse Angelegenheit zu ordnen, und weil ich kein Geld habe, hätte Marie gesagt, dass ich vielleicht – kurzum: Maries Schwester hörte auf, verlegen zu sein und sagte, ich könne bei ihr übernachten. Ob ich hungrig sei. Und wie lange ich bleiben wolle. Ich sagte, ich sei sehr hungrig und gab ihr meine Brot-Rationierungsmarken, denn seit der Missernte ist Brot streng rationiert und Essen furchtbar teuer. Wie lange ich bleiben wolle, das wisse ich nicht. Vielleicht eine Nacht, vielleicht zwei … Ich bekam zu essen, und dann kam Monsieur Clapain nach Hause, er ist Tischler und erzählte mir, dass diese Wohnung im Hinterhaus eines ehemaligen Adelspalais liege. Das Palais ist von der Regierung konfisziert worden, aber wegen der Wohnungsnot hat die Gemeinde im Hinterhaus kleine Wohnungen einrichten lassen und an kinderreiche Familien vermietet.
    Die Clapains sind eine kolossal kinderreiche Familie. Auf dem Fußboden krochen drei kleine Kinder herum, und von der Straße kamen dann noch zwei hereingelaufen und wollten etwas zu essen haben. In der Küche, in der wir saßen, hängen so viele Windeln zum Trocknen, dass man sich wie in einem Beduinenzelt fühlt. Gleich nach dem Essen sagte Madame Clapain, dass sie nun mit ihrem Mann spazieren gehen wolle, sie habe so selten Gelegenheit dazu, weil sie doch immerzu auf die Kinder aufpassen müsse. Aber jetzt sei ich ja da, und sie werde die Kinder zu Bett bringen und dann ruhig fortgehen. Die Kinder wurden zwei und zwei in verschiedene Betten gestopft, und das jüngste wurde in eine Wiege in der Küche gelegt.Madame Clapain setzte ein Hütchen mit einer ramponierten Straußenfeder auf, Monsieur Clapain streute sich ein ganzes Säckchen Puder auf die dünnen Haarstränen, und dann zogen sie los.
    Plötzlich fühlte ich mich furchtbar allein und fremd in dieser Riesenstadt. Bis ich in meiner Reisetasche kramte, um ein paar vertraute Gegenstände in die Hand zu bekommen. Im

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