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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Familiendiners«, die Joseph unausgesetzt zu Ehren irgendeines Abgeordneten, Generals oder Botschafters zu geben pflegt. Familiendiners, die nur gegeben werden, um politische Kulissengeheimnisse auszuforschen und brühwarm in endlosen Episteln Napoleon, der sich auf dem Weg nach Ägypten befindet, mit einem Kurier über die Meere nachzusenden. Joseph hat bisher keinen neuen Botschafterposten angenommen oder bekommen, ihm scheint daran zu liegen, in Paris, im »Brennpunkt politischer Interessen« zu leben, und seit den letzten Wahlen ist er sogar Abgeordneter. Abgeordneter für Korsika, die Insel ist seit Napoleons Siegen natürlich schrecklich stolz auf die Bonapartes. Unabhängig von Joseph hat auch Lucien für Korsika kandidiert und ist gleichfalls als Abgeordneter in den Rat der Fünfhundert gewählt worden. Vor ein paar Tagen – ganz kurz nach Napoleons Abreise – ist er mit seiner Christine nach Paris übersiedelt. Madame Letitia hat für die beiden einekleine Wohnung gefunden, und da schlagen sie sich schlecht und recht mit Luciens Gehalt als Abgeordneter durch. Lucien gehört der äußersten Linken an. Als man ihm bestellte, dass Napoleon erwarte, er werde sich von der Gastwirtstochter scheiden lassen, bekam er einen Lachkrampf: »Mein militärischer Bruder scheint verrückt geworden zu sein! Was ist ihm denn an meiner Christine nicht recht?« – »Das Wirtshaus ihres Vaters«, versuchte ihm Joseph zu erklären. »Der Vater unserer Mama hatte einen Bauernhof auf Korsika«, lachte Lucien, »und noch dazu einen sehr kleinen.« Dann runzelte er plötzlich die Stirn, starrte Joseph an und sagte: »Napoleon hat eigentlich sehr merkwürdige Ideen für einen Republikaner.« Beinahe täglich drucken die Zeitungen Luciens Reden ab. Der magere dunkelblonde Bursche mit den blauen Augen, die vor Begeisterung richtig flammen können, scheint ein großes Rednertalent zu sein. Ich weiß nicht genau, ob ihm diese »intimen Familiendiners« bei Joseph, bei denen man sich um so genannte gute Beziehungen bemüht, wirklich Spaß machen, oder ob er nur kommt, um ihn und Julie nicht zu beleidigen.
    Während ich mir das Gelbseidene anzog, schlüpfte Julie in mein Zimmer. Mit der üblichen Einleitung »Wenn nur alles klappt« ließ sie sich auf meinem Bett nieder. »Nimm doch das Brokatband ins Haar, es steht dir gut«, schlug sie vor. »Wozu? Es kommt doch niemand, der mich interessieren könnte«, sagte ich und kramte in einer Kassette mit Bändern und Kämmen. »Joseph hat gehört, dass dieser zukünftige Kriegsminister gesagt hat, dass Napoleons ägyptischer Feldzug der helle Wahnsinn sei, die Regierung hätte ihn nicht zulassen sollen«, sagte Julie. Ich beschloss aus lauter schlechter Laune, mir überhaupt nichts ins Haar zu binden, sondern bürstete einfach die Locken hoch und versuchte, sie mit zwei Kämmen in Ordnung zu halten.»Diese politischen Nachtmähler langweilen mich grenzenlos«, knurrte ich dabei. »Josephine wollte zuerst nicht kommen, Joseph musste ihr erst lang und breit erklären, wie wichtig es für Napoleon ist, dass sie sich mit dieser kommenden Größe gut stellt. Sie hat doch jetzt dieses Landhaus gekauft, Malmaison, weißt du, und da wollte sie mit einigen Freunden hinausfahren und ein Picknick arrangieren.« – »Recht hat sie – bei dem schönen Wetter!«, sagte ich und sah in den blassblauen Abend hinaus. Durch das offene Fenster kam der Duft von Lindenblüten. Ich begann diesen unbekannten Ehrengast geradezu zu hassen. Unten fuhr ein Wagen vor, und Julie stürzte mit einem letzten »Wenn nur alles klappt« hinaus.
    Ich hatte gar keine Lust, hinunterzugehen und die Gäste zu begrüßen. Erst, als sehr lautes Stimmengewirr zu mir heraufdrang und ich das Gefühl hatte, dass alle versammelt waren und Julie wahrscheinlich nur noch auf mich wartete, um zu Tisch zu bitten, gab ich mir einen Ruck. Ich könnte mich ins Bett legen und sagen, dass ich Kopfweh habe, fiel mir ein. Aber da hatte ich unten schon die Türklinke in der Hand. Im nächsten Augenblick hätte ich alles darum gegeben, wenn ich mich nur wirklich mit Kopfweh ins Bett gelegt hätte.
    Er stand mit dem Rücken zur Tür. Und trotzdem erkannte ich ihn sofort. Ein Turm von einem Mann in dunkelblauer Uniform mit mächtigen Goldepauletten und einer breiten Schärpe in den Farben der Republik. Die anderen – Joseph und Julie und Josephine und Lucien und seine Christine – standen im Halbkreis um ihn herum und drehten kleine Gläser in den

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