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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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fühlte. Napoleon hatte zwar in Italien einen selbständigen Oberbefehl geführt, aber Bernadotte war inzwischen Botschafter gewesen und wusste ebenso gut wie wir anderen, dass der Kriegsministerposten auf ihn wartete.
    Bei den jungen Hähnen geschah es. Josephine – ja, ausgerechnet Josephine, die Frau Napoleons – gab den Anstoß. Schon die ganze Zeit über hatte ich gespürt, wie ihre Augen zwischen mir und dem General Bernadotte hin und her blitzten. Ich glaube, es gibt niemanden, der in solchem Maß die süßen Spannungen und unsichtbaren Kräfte, die zwischen einem Mann und einer Frau schwingen können, so stark empfindet wie Josephine. Bisher hatte sie sich sehr schweigsam verhalten. Bei Julies »Es ist ihr erster Besuch in Paris« zog sie die dünn gezupften Brauen in die Höhe und blickte interessiert Bernadotte an. Es war möglich – wirklich durchaus möglich, dass sie sich erinnerte, dass auch Bernadotte an jenem Nachmittag bei der Tallien gewesen war … Und jetzt fand sie endlich eine Möglichkeit, Josephs militärisch-politische Gesprächswahl durch ein für sie weitaus anziehenderes Thema zu ersetzen. Sie legte den kindlichen Lockenkopf ein wenig schief, blinzelte Bernadotte an und fragte: »Es muss für Sie als Botschafter in Wien gesellschaftlich nicht ganz einfach gewesen sein. Ich meine, weil Sie doch unverheiratet sind, GeneralBernadotte. Haben Sie nicht oft die Anwesenheit einer Dame in der Botschaft sehr vermisst?«
    Bernadotte legte energisch Messer und Gabel nieder. »Und wie! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, liebe Josephine – ich darf doch Josephine sagen, wie in den alten Tagen bei Ihrer Freundin Tallien? Also, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie Leid es mir getan hat, nicht verheiratet zu sein! Aber –« Und nun wandte er sich an die ganze Tischgesellschaft: »Aber – ich frage Sie, meine Damen und Herren – was soll ich machen?« Niemand wusste, ob er es im Ernst oder im Spaß meinte. Alle schwiegen verlegen, bis endlich Julie höflich gequält bemerkte: »Sie haben eben noch nicht die Richtige gefunden, General!« »Aber ja, Madame, ich habe sie gefunden! Sie ist nur einfach wieder verschwunden, und jetzt –« Er zuckte in komischer Verlegenheit die Achseln und sah mich an. Dabei lachte er über das ganze Gesicht. »Und jetzt müssen Sie sie eben suchen und um ihre Hand anhalten!«, rief Christine, die das Gespräch gar nicht ungewöhnlich fand, sondern überaus gemütlich. Daheim in der Wirtsstube in St. Maximin hatten ihr die Burschen bei einem Glas Wein gern ihre Herzensnöte geschildert. »Sie haben Recht, Madame«, sagte Bernadotte ernst. »Ich werde um ihre Hand anhalten!« Damit sprang er auf, schob seinen Stuhl zurück und sah Joseph an: »Monsieur Joseph Bonaparte, ich habe die Ehre, um die Hand Ihrer Schwägerin Mademoiselle Désirée Clary anzuhalten.« Dann setzte er sich ruhig wieder nieder und wandte keinen Blick von Joseph. Totenstille. Eine Uhr tickte, und ich glaubte, dass man auch mein Herz schlagen hörte. Verzweifelt starrte ich auf das weiße Tischtuch. »Ich verstehe nicht ganz, General Bernadotte – meinen Sie das im Ernst?«, hörte ich jetzt Joseph sagen. »Im Ernst.«
    Wieder Totenstille. »Ich – ich glaube, Sie müssen Désirée Zeit geben, sich Ihren ehrenvollen Antrag zuüberlegen«, sagte Joseph. »Ich habe ihr Zeit gegeben, Monsieur Bonaparte.«
    »Aber Sie haben sie doch eben erst kennen gelernt!« Das war Julies Stimme, zitternd vor Aufregung. Ich hob den Kopf. »Ich möchte Sie gern heiraten, General Bernadotte!«
    War das meine Stimme? Krachend fiel ein Stuhl zurück, diese neugierigen, erstaunten Gesichter – nicht zum Aushalten, nicht zum Aushalten! Wie ich aus dem Speisezimmer gekommen bin, weiß ich nicht. Aber plötzlich saß ich oben in meinem Zimmer auf dem Bett und weinte.
    Dann ging die Tür auf, und Julie kam herein und drückte mich an sich und versuchte mich zu beruhigen. »Du musst ihn doch nicht heiraten, Liebes – wein doch nicht, wein doch nicht –« »Ich muss aber weinen«, schluchzte ich. »Ich kann nichts dafür, aber ich bin so schrecklich glücklich, dass ich weinen muss.« Obwohl ich mein Gesicht mit kaltem Wasser wusch und nachher überpuderte, sagte Bernadotte sofort, als ich unten im Wohnzimmer auftauchte: »Sie haben schon wieder geweint, Mademoiselle Désirée!« Er saß neben Josephine auf einem kleinen Sofa, aber Josephine stand schnell auf, setzte sich auf einen Stuhl und meinte: »Jetzt muss sich Désirée

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