Désirée
mindestens –« »Mitte dreißig, schätze ich«, sagte Joseph zu Julie. Und zu mir: »Sagen Sie mir, Désirée, sind Sie sich überhaupt klar darüber, dass Sie einen der bedeutendsten Männer der Republik heiraten sollen?«
»Die Aussteuer!«, rief plötzlich Julie. »Wenn Désirée wirklich bald heiraten soll, müssen wir uns doch um die Aussteuer kümmern!« »Dieser Bernadotte soll nicht sagen, dass die Schwägerin eines Bonaparte keine tadellose Aussteuer hatte«, sagte Joseph und blickte uns eindringlich an. »Wie lange braucht ihr, um alles zu besorgen?«
»Die Einkäufe gehen schnell«, meinte Julie, »aber die Monogramme müssen gestickt werden!« Zum ersten Mal mischte ich mich in die aufgeregte Unterhaltung. »Die Aussteuer liegt doch fertig in Marseille. Wir müssen nur Bescheid geben, dass die Kisten geschickt werden. Und die Monogramme habe ich längst fertig gestickt.«
»Ja – ja natürlich!«, rief Julie, und ihre Augen wurden rund vor Staunen, »Désirée hat Recht, die Monogramme sind gestickt. B –« »B, B und wieder B«, lächelte ich und ging zur Tür.
»Das Ganze kommt mir sehr eigenartig vor«, murmelte Joseph misstrauisch.
»Wenn sie nur glücklich wird«, flüsterte Julie. Ich bin glücklich. Lieber Gott im Himmel, lieber Lindenbaum unten auf der Straße, liebe Rosen in der blauen Vase – ich bin so glücklich.
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II
DIE MARSCHALLIN BERNADOTTE
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Sceaux bei Paris.
Herbst des Jahres VI (1798).
A m dreißigsten Thermidor im sechsten Jahre der Republik um sieben Uhr abends habe ich auf dem Standesamt in Sceaux, einem Vorort von Paris, den General Jean-Baptiste Bernadotte geheiratet. Die Trauzeugen meines Mannes waren sein Freund, der Kavalleriekapitän Antoine Morien, und der Notar von Sceaux, Monsieur François Desgranges. Ich dagegen musste Onkel Somis, der prinzipiell keine Familienhochzeit auslässt, zum Trauzeugen wählen und natürlich auch Joseph. Im letzten Augenblick erschien noch Lucien Bonaparte auf dem Standesamt, sodass ich mit drei Trauzeugen aufmarschierte. Nach der Hochzeit fuhren wir alle in die Rue du Rocher, wo Julie ein großartiges Essen vorbereitet hatte. (Alles klappte, aber es hat Julie drei schlaflose Nächte gekostet.) Um niemanden zu beleidigen, hatte Joseph sämtliche Bonapartes, die sich in Paris und Umgebung aufhielten, zusammengetrommelt. Madame Letitia drückte wiederholt ihr Bedauern aus, dass ihr Stiefbruder Fesch, der sich wieder dem geistlichen Beruf widmet, verhindert gewesen sei. Ursprünglich wollte Mama aus Genua zur Hochzeit kommen, aber sie kränkelt oft, und deshalb war die Reise in der Sommerhitze zu anstrengend für sie. Jean-Baptiste dagegen hasst Familienfeste, und da er keine Verwandten in Paris hat, brachte er nur seinen alten Kameraden Morien zum Festessen mit. Meine Hochzeit stand daher ganz im Zeichen der Bonapartes, für die Onkel Somis mit seiner provinziellen Gemütlichkeit kein Gegengewicht bietet. Zu meinem Erstaunen hatte Joseph im letzten Augenblick noch General Junot und seine Laura – Junot hat nämlich auf Wunsch Napoleons neulich Laura Permon, die Tochter einerkorsischen Freundin von Madame Letitia, geheiratet – eingeladen. Junot, der zu Napoleons Stab in Ägypten gehört, befand sich nur auf kurze Zeit in Paris, um der Regierung den Einzug Napoleons in Alexandrien und Kairo und den siegreichen Verlauf der Schlacht bei den Pyramiden zu schildern.
Ich langweilte mich ganz entsetzlich bei meiner Hochzeit. Unser Souper begann sehr spät, es gilt jetzt als vornehm, erst in den Abendstunden zu heiraten, und Joseph bestimmte deshalb, dass wir erst um sieben Uhr das Standesamt besuchen sollten. Julie wollte, dass ich den ganzen Tag über im Bett verbringe, um möglichst ausgeruht und hübsch auszusehen. Aber ich hatte keine Zeit dazu, ich musste Marie helfen, unser Essgeschirr, das wir erst am Tage vorher gekauft hatten, in die Küchenschränke einzuräumen. Außerdem gibt es schrecklich viel zu tun, wenn man ein Haus einrichtet. Bereits zwei Tage, nachdem ich mich mit Jean-Baptiste verlobt hatte – Julie hatte sich noch gar nicht von dem Schrecken erholt –, erschien der General mit der Mitteilung: »Ich habe ein passendes Haus gefunden. Désirée, komm sofort und sieh es dir an!«
Unser kleines Haus liegt in der Rue de la Lune in Sceaux. Nummer drei. Im Erdgeschoss haben wir die Küche, ein Esszimmer und einen kleinen Raum, in den Jean-Baptiste einen Schreibtisch gestellt und Bücher aufgestapelt
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