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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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soll. Aber ich habe abgelehnt. Wir haben zwei Kammern, in denen es von Abgeordneten wimmelt, und wenn die Herren Volksvertreter und ihre Wähler unzufrieden sind, so können sie ja eine Verfassungsänderung beantragen. Was mich persönlich betrifft, so glaube ich, dass wir auch auf Grund der bestehenden Verfassung Ruhe und Ordnung aufrechterhalten und unsere Grenzen verteidigen können. Sollten sich jedoch die Volksvertreter ohne äußeren Zwang zu einer anderen Regierungsform entschließen, so geht dies weder die Armee noch mich etwas an.«
    »Sollten sich jedoch die Abgeordneten unter äußerem Zwang zu einer Verfassungsänderung entschließen, Kamerad Bernadotte, wie würden Sie sich dann verhalten?«
    Jean-Baptiste stand auf, trat an die Verandatür, und es sah aus, als suche er draußen im herbstlichen Grau seine Worte. Napoleons Blick bohrte sich in den dunklen Uniformrücken, der uns zugekehrt war. Die kleine, wohl bekannte Ader an seiner rechten Schläfe pochte. Plötzlich wandte sich Jean-Baptiste um, trat auf den sitzenden Napoleon zu und ließ ihm schwer die Hand auf die Schulter fallen.
    »Kamerad Bonaparte – ich habe unter Ihrem Oberkommando in Italien gekämpft, ich habe gesehen, wie Sie Feldzüge vorbereiten, und ich sage Ihnen, Frankreich besitzt keinen besseren Befehlshaber als Sie. Das können Sie einem alten Sergeanten glauben. Aber was Ihnen da die Politiker vorschlagen, ist eines Generals der republikanischen Armee unwürdig. Tun Sie es nicht, Bonaparte!«
    Napoleon betrachtete aufmerksam die Gänseblümchen, die ich in die Tischdecke gestickt hatte, und verzogkeine Miene. Jean-Baptiste ließ die Hand von seiner Schulter gleiten und ging ruhig auf seinen Platz zurück. »Wenn Sie es jedoch trotzdem versuchen, dann werde ich Sie und Ihre Anhänger mit der Waffe in der Hand bekämpfen, vorausgesetzt –« Napoleon sah auf: »Vorausgesetzt?«
    »Vorausgesetzt, dass ich vonseiten der gesetzmäßigen Regierung dazu beauftragt werde.«
    »Wie eigensinnig Sie sind«, murmelte Napoleon. Dann schlug Josephine vor, wir sollten nach Mortefontaine aufbrechen. Julies Landhaus war voll von Gästen. Wir trafen dort Talleyrand und Fouché und natürlich Napoleons persönliche Freunde, die Generäle Junot, Leclerc und Marmont. Alle waren angenehm überrascht, weil Jean-Baptiste gemeinsam mit Napoleon erschien. Nach dem Essen bemerkte Fouché zu Jean-Baptiste: »Ich wusste gar nicht, dass Sie mit General Bonaparte befreundet sind.« – »Befreundet? Wir sind auf jeden Fall verschwägert«, antwortete Jean-Baptiste. Fouché lächelte: »Manche Leute sind in der Wahl ihrer Verwandtschaft überaus klug.« Worauf Jean-Baptiste gut gelaunt bemerkte: »Was mich betrifft, so habe ich mir weiß Gott diese Verwandtschaft nicht ausgesucht!«
    In den darauf folgenden Tagen sprach ganz Paris von nichts anderem als davon, ob Napoleon »es« wagen würde oder nicht. Einmal fuhr ich zufällig durch die Rue de la Victoire und sah, dass viele junge Leute vor Napoleons Haus standen und taktfest im Chor »Vive Bonaparte« zu den geschlossenen Fenstern hinaufschrien. Fernand behauptet, dass diese Burschen für ihre Begeisterungsausbrüche bezahlt werden, aber Jean-Baptiste sagt, dass viele die Geldsummen, die Napoleon seinerzeit aus den eroberten italienischen Staaten herausgepresst und nach Paris geschickt hat, nicht vergessen können. Als ich gestern früh in unser Esszimmer trat, wusste ich sofort: Heute! Heutegeschieht »es«. Joseph hielt Jean-Baptiste an einem Uniformknopf gefasst und redete fieberhaft auf ihn ein. Er wollte ihn überreden, mit ihm sofort zu Napoleon zu gehen. »Aber Sie müssen ihn wenigstens anhören, dann werden Sie selbst einsehen, dass er die Republik retten will«, sagte Joseph. Und Jean-Baptiste: »Ich kenne seine Pläne, und sie haben nichts mit der Republik zu tun.« Darauf Joseph: »Zum letzten Mal – weigern Sie sich, meinem Bruder beizustehen?« Und Jean-Baptiste: »Zum letzten Mal – ich weigere mich, an jeder Form von Hochverrat teilzunehmen.« Joseph, plötzlich zu mir gewandt: »Bringen Sie ihn doch zur Vernunft, Désirée!« Und ich. »Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee bringen, Joseph? Sie sind so aufgeregt.« Joseph lehnte ab und verschwand, und Jean-Baptiste trat an die Verandatür und starrte in den herbstlich nackten Garten hinaus.
    Eine Stunde später brachen General Moreau, Monsieur Sazzarin, der ehemalige Sekretär Jean-Baptistes und andere Herren des Kriegsministeriums wie eine

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