Desperado der Liebe
Augen, Señorita, weil es Ihnen die hübschen Kleider und das gute Essen beschert? Vielleicht haben Sie die Güte, mir darauf zu antworten, sofern sie dies können.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, stammelte Araminta und wich vor ihm zurück.
»Ach nein?« Seine Stimme bebte vor Zorn. Doch im nächsten Moment wurde sie wieder sanft. Seine plötzliche Wut schien versiegt, auch wenn ihm anzusehen war, wie sehr es in seinem Innern brodelte. »Nein. Nein... vielleicht wissen Sie es tatsächlich nicht.« Er deutete auf das Gemälde auf der Staffelei. »Ein sehr schönes Bild, Señorita. Hätten Sie mehr Einblick und Verständnis, wäre es vielleicht sogar ein Meisterwerk wie die Bilder von Corot. Sind Sie vielleicht zufällig mit seinen Werken vertraut?« Sein Kunstwissen überraschte sie. »Sie werden vor allem wegen der Aufrichtigkeit und der klaren Farben hoch geschätzt, so wie Sie sie auch in Ihrem Bild verwendet haben. Doch ansonsten, Señorita, ist Ihr Blick so eingeengt wie der eines Pferdes mit Scheuklappen. Sie sehen nur die Schönheit des Landes, nicht aber die häßlichen Dinge.« Er ging in die Hocke und nahm eine Handvoll Lehm vom Bachufer. Dann, ehe Araminta begriff, was er vorhatte, packte er sie und drückte ihr die feuchte Erde in die Hände, was sie vor Angst und einer merkwürdigen Erregung ob seiner Kraft erzittern ließ. »Das liegt unter der Oberfläche des Landes verborgen, Señorita Winthrop. Machen Sie die Augen auf und schauen Sie genau hin, damit Sie es sehen können. Dreck. Der Dreck von Armut, Hunger und Krankheit und Hunderten anderer Unbill, mit denen die mittellosen, gewöhnlichen Menschen Mexikos fertig werden müssen. Aber weiß eine wohlhabende, verwöhnte Gringa wie Sie etwas von diesen Dingen?« Er grinste, als er sie losließ. Heftig schluckend, kniete sie sich hin und wusch sich die Hände, als könnte sie das sonderbare Gefühl seiner Berührung abwaschen. »So wenig, wie Sie über die Kraft eines brillanten Gemäldes wissen; so wenig, wie Sie vorgeben, über die unerhörten Aktivitäten Ihres Großvaters, der Hobarts und ihresgleichen zu wissen.«
»Und was sollen das für Aktivitäten sein?« Araminta warf stolz den Kopf herum, verletzt und wütend, daß er es gewagt hatte, sie in ihrer Abgeschiedenheit zu stören und sie obendrein auch noch zu beleidigen, wo sie doch nichts getan hatte, womit sie seine Verachtung verdient hätte.
Entschlossen, ihm nicht die Genugtuung zu gönnen, daß er ihr ansah, wie tief er sie mit seinen Worten getroffen hatte, erhob sie sich und kehrte ihm den Rücken zu, auch wenn es sie allen Mut kostete. Vielleicht würde er sie in Ruhe lassen und sich davonmachen, wenn sie ihn gar nicht weiter beachtete -denn wenn es in seiner Absicht läge, ihr etwas anzutun, dann hätte er es gewiß längst getan. Sich äußerlich zur Ruhe zwingend, machte sie sich daran, ihr Frühstück auszupacken. Als erstes nahm sie das rotkarierte Tischtuch aus dem Korb und breitete es im Gras aus. Doch ihre Hände zitterten, und ihre Bewegungen waren hastig und ungelenk, als sie Speisen und Getränke aus dem Korb packte. Zu ihrer Bestürzung verstand del Castillo ihren Wink nicht und blieb, wo er war.
»Ihr Großvater, die Hobarts und einige andere handeln -unter anderem - mit Waffen und versorgen die Föderalisten und die Landesregierung mit Nachschub, mit denen die Armee und die Polizei die Menschen Mexikos ermorden, Señorita; Menschen, die kaum mehr haben als die Hoffnung, standzuhalten, und ihre verzweifelte Gegenwehr. Aber wie ich schon sagte - was wissen Sie schon, was es heißt, arm zu sein und Hunger zu leiden?«
»Offensichtlich mehr, als Sie über mich wissen. Ich habe nämlich beides am eigenen Leibe erfahren.« In ihrer Stimme schwang ruhiger Stolz. »Ihre Informanten scheinen mir nicht die besten zu sein, General. Ansonsten würden Sie das nämlich wissen. Warum also sollte ich glauben, was Sie über meinen Großvater behaupten? Und selbst wenn es wahr wäre -, »mit Unbehagen erinnerte sie sich an Gesprächsfetzen, die sie beim Fandango aufgeschnappt hatte, »die Föderalisten und die Landesregierung vertreten rechtmäßig die Anliegen Mexikos, und daher kann man es wohl schwerlich ein Verbrechen nennen, sie mit Waffen zu versorgen. Es sind doch wohl Ihre Revolutionäre - die Maderistas, Zapatistas, Orozquistas, Vazquistas und all die anderen die den Bürgerkrieg angezettelt haben und daher allein die Verantwortung für den Tod Ihrer Landsleute
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