Desperado der Liebe
sie nur einen Schluß geben: Sie war tot, und wenn es doch eine winzige Chance geben sollte, daß sie noch am Leben war, dann wäre sie es besser nicht. Daß sie sich in Rigo verliebt hatte und er sie liebte, würden ihr Großvater und Judd niemals für möglich halten, niemals glauben, selbst wenn ihnen jemand den Beweis dafür geliefert hätte. Doch diesen würde es nie geben, weil es ausgeschlossen war, daß sie nach Texas und zu Judd zurückkehrte - nun nicht mehr, da sie Rigos Frau war. Sollten sie nur ruhig annehmen, daß sie tot war. Es war am besten so. Judd war es sicher nur recht, keinen Beweis für das Gegenteil zu haben, und selbst wenn ihr Großvater darüber nicht froh war, sagte sich Araminta, wäre es ihm gewiß lieber, sie wäre tot, als sie ihn Rigos Armen zu wissen.
Bei ihrer ersten Reise war Araminta nur eine Gefangene gewesen; gefesselt hatte sie vor Rigo auf Rayo - Donnerschlag, so hieß sein Hengst - gesessen, und es hatte nichts für sie zu tun gegeben,- wenn sie Rast machten oder das Lager für die Nacht aufschlugen, hatte sie nur stumm und untätig dagesessen, weil niemand ihr traute, da sie ja versuchen könnte zu fliehen. Nun jedoch zeigte Rigo ihr, wie die Pferde versorgt werden mußten, brachte ihr bei, ein Feuer aufzuschichten und zu entzünden, so daß sie anfangen konnte, eine Suppe für seine Männer zu kochen; und er zeigte ihr, wie man das Zelt aufbaute, das er vor kurzem angeschafft hatte, und dann die Decken darin ausrollte, auf denen sie schlafen würden. Anfangs brauchte sie für all das fast zwei Stunden, auch wenn ihr für gewöhnlich der eine oder andere von Rigos Männern dabei zur Hand ging. Doch schon bald schaffte sie es in der Hälfte der Zeit.
Die harte Arbeit machte sie stark. Als sie dann den schweren Sattel ganz allein und mühelos auf den Rücken ihres Pferdes hieven konnte, mußte Araminta lachen, denn früher hatte sie ihn kaum über die Erde ziehen können. Doch je mehr Männer zu Rigos Armee stießen, desto mehr gab es, die ihre Pflichten übernahmen; und Rigos Aide-de-Camp, ein junger Mann namens Chico Morales, beauftragte mehrere Männer mit den anstrengenderen Arbeiten.
Von den Frauen, die der anwachsenden Armee folgten, lernte Araminta, welche Pflanzen und Knollen genießbar waren; und um den eher kargen Speiseplan aufzubessern, pflückte sie mit ihnen wilde Beeren, Kräuter und Gemüse, grub saftige Wurzeln aus der harten Erde, deren Köpfe Leckerbissen für die Pferde waren. So manches Mal trockneten und bewahrten die Frauen das, was sie gesammelt hatten, für den späteren Verzehr auf, denn oft war es ein gutes Stück des Wegs bis zum nächsten Dorf und somit auch bis zu frischer Verpflegung. Nichts ver-geuden, nicht wählerisch sein - das war die Devise der auf stän dischen Bauern, die ihre Lektion nur zu gut gelernt hatten. Araminta lernte auch, welche Pflanzen und Kräuter als Medi zin verwendet werden konnten, so wie jene, aus der sie sich eine Salbe machte, die ihre Haut vor der grellen Sonne und dem Wind schützte. Sie lernte, welche Pflanzen giftig waren; daß eine Klinge mit dem Saft einer bestimmten Pflanze beträufelt den sofortigen Tod bringen konnte; daß bestimmte Blätter und getrocknete Beeren, wenn man sie zerrieb, ein Pulver ergaben, das - aufs Essen oder in ein Getränk gegeben - ein langsames, qualvolles Ende bringen konnte. Es war Rigo, der ihr den Peyote-Kaktus zeigte, dessen Früchte und Saft Erbrechen und Halluzinationen erzeugten, wenn man davon aß oder trank; bei besonderen indianischen Ritualen öffnete man sich damit die Pforten zur Welt der Geister.
Besorgt, Araminta könnte trotz all seiner Vorsichtsmaßnahmen in die Hände der Föderalisten, Colorados oder Yaqui-Indianer fallen, brachte Rigo ihr zudem bei, sich mit einem Messer zu verteidigen; Angriffe und Finten, wie man herumwirbelte, sich zu Boden fallen ließ, abrollte und blitzschnell wieder auf den Beinen war ; wie man einem Angreifer das Messer in den Hals oder ins Herz rammte und die Klinge drehte, um auch sicherzugehen, daß das grausige Werk vollendet war. Wie viele der anderen Frauen auch, die ihre Männer begleiteten, trug Araminta das Messer, das Rigo ihr gab, in einem Lederhalfter um den Oberschenkel unter ihrem Kleid versteckt. Sie konnte das Messer blitzschnell zücken, der Trick der Zigeunerinnen und Huren, aber einer, der ihr in diesem wilden und vom Krieg geschüttelten Land vielleicht eines Tages das Leben retten
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