Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
haben, daß er nicht mehr in der Einfahrt
spielte, mußten den Ball auf dem Rasen gesehen haben, würden sich Sorgen machen. Er hatte sie gern und wollte nicht,
daß sie sich Sorgen machten - in gewisser Weise begriff er, daß
Brians Tod sie ebenso sehr aus der Bahn geworfen hatte wie
ihn selbst -, aber er konnte noch nicht nach Hause gehen. Weil
er noch nicht fertig war.
Möchtest du, daß ich bete? fragte er die Stimme. Ich versuche
es, wenn du willst, aber ich weiß nicht, wie - wir gehen nicht zur
Kirche, weißt du, und
Die Stimme unterbrach ihn, nicht wütend, nicht amüsiert,
nicht ungeduldig, mit gar keinem Unterton, den er deuten
konnte. Du betest schon, sagte sie.
Wofür soll ich beten?
O Scheiße, die Mumie ist hinter uns her, sagte die Stimme. Laßt
uns alle ein bißchen schneller gehen.
Ich weiß nicht, was das bedeutet.
Doch, das weißt du.
Nein, weiß ich nicht!
»Doch, ich weiß es«, sagte er fast stöhnend. »Doch, ich weiß
es, es bedeutet, bitte um das, worum keiner zu bitten wagt,
bete, worum keiner zu beten wagt. Ist es das?«
Keine Antwort von der Stimme.
David schlug die Augen auf, und der Nachmittag bombardierte ihn mit seinem späten Lichtschein, dem rotgoldenen
Glanz des Oktobers. Seine Beine waren von den Knien abwärts taub, und ihm kam es vor, als wäre er gerade aus einem
tiefen Schlaf erwacht. Die schlichte, freigesetzte Schönheit des
Tages erstaunte ihn, und einen Augenblick war er sich überdeutlich seiner selbst als Teil eines Ganzen bewußt - eine Zelle
auf dem lebendigen Antlitz der Erde. Er nahm die Hände von
den Knien, drehte sie um und streckte sie aus.
»Mach, daß es ihm besser geht«, sagte er. »Lieber Gott,
mach, daß es ihm besser geht. Wenn du das tust, werde ich
auch etwas für dich tun. Ich werde hören, was du von mir
willst, und dann werde ich es tun. Ich verspreche es.«
Er schloß die Augen nicht, sondern hörte aufmerksam hin,
ob die Stimme noch etwas zu sagen hatte. Zuerst schien es
nicht so zu sein. Er ließ die Hände sinken und wollte aufstehen, dann verzog er das Gesicht, als Nadelstiche sich von den
Fersen bis zu den Knien in seine Beine bohrten. Er lachte sogar
ein bißchen. Er ergriff einen Zweig, um sich in die Höhe zu
ziehen, und als er das tat, sagte die Stimme doch noch etwas.
David lauschte mit gesenktem Kopf, hielt sich an dem Ast
fest und spürte immer noch das verrückte Kribbeln in seinen
Muskeln, als das Blut sich wieder mühsam Zugang zu ihnen
verschaffte. Dann nickte er. Sie hatten drei Nägel in den
Baumstamm geschlagen, um das Schild VIETCONG-WACHPOSTEN zu befestigen. Seither war das Holz geschrumpelt
und hatte sich verzogen, und die rostigen Köpfe der Nägel
ragten heraus. David nahm den blauen Ausweis mit der Aufschrift VOM UNTERRICHT BEFREIT aus der Hemdtasche
und steckte ihn an einen der Nägel. Als er das getan hatte, trat
er auf der Stelle, bis das Kribbeln in seinen Beinen nachließ und er sich zutraute, den Baumstamm wieder hinunterzuklettern.
Er ging nach Hause. Er war noch nicht einmal zur Einfahrt
gekommen, da stürmten seine Eltern schon zur Küchentür
heraus. Ellen Carver stand auf der Treppe, hielt die Hand an
die Stirn, um die Augen abzuschirmen, während Ralph den
Bürgersteig entlanglief - fast rannte und ihn an den Schultern packte.
»Wo warst du? Wo zur Hölle warst du, David?«
»Ich war spazieren. In den Bear Street Woods. Ich hab über
Brian nachgedacht.«
»Nun, du hast uns einen Heidenschrecken eingejagt«, sagte
seine Mom. Kirsten kam zu ihr auf die Schwelle. Sie aß eine
Schüssel Jell-O-Wackelpudding und hielt Melissa Sweetheart,
ihre Lieblingspuppe, unter einen Arm geklemmt. »Sogar Kirsty hat sich Sorgen gemacht, oder nicht?«
»Nee«, sagte Törtchen und aß ihren Wackelpudding weiter.
»Geht es dir gut?« fragte sein Vater.
»Ja.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Er ging ins Haus und zupfte Törtchen dabei an einem Zopf.
Sie rümpfte die Nase, dann lächelte sie.
»Das Abendessen ist fast fertig, geh dich waschen«, sagte
Ellen.
Das Telefon läutete. Sie nahm ab, dann rief sie laut nach David, der nach unten ins Bad wollte, um sich die Hände zu waschen, die wirklich ziemlich schmutzig waren - klebrig, harzig, dreckig vom Klettern. Er drehte sich um und sah seine
Mutter, die mit einer Hand den Hörer hochhielt und mit der
anderen unablässig ihre Schürze knetete. Sie wollte etwas sagen, doch anfangs kam kein Laut heraus, obwohl sie die Lippen bewegte. Sie schluckte und versuchte es erneut. »Debbie ROSS will

Weitere Kostenlose Bücher