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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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rasch auf die Stirn und ging ebenso rasch weiter. Nur der Duft ihres Parfüms hing noch in der Luft. Keine Ahnung, ob sie mir irgendetwas demonstrieren wollte oder rein intuitiv gehandelt hatte: Ich war verblüfft. Was mich jedoch weit mehr überraschte als der unerwartete Kuss war die Tatsache, dass es mich nicht störte. Im Gegenteil.
    ***
    Als ich später an dem Abend nach der Arbeit zur Tankstelle ging, näherte sich von hinten ein Auto, was an und für sich nichts Ungewöhnliches gewesen wäre. Doch im nächsten Augenblick landete –
zack
– eine Zeitung vor meinen Füßen.
    Erst betrachtete ich die Zeitung und dann Eli, der den Truck im Schritttempo neben mir herrollen ließ. »Seit wann fährst du Zeitungen aus?«
    »Theoretisch fährt mein Freund Roger Zeitungen aus«, antwortete er. Ich hob die Zeitung auf. Bemerkte dieZeitungsstapel auf der Ladefläche des Trucks. »Aber er hat Grippe, deshalb springe ich für ihn ein. Außerdem dachte ich, das könnte Teil deiner Mission werden.«
    »Zeitungen ausfahren?«
    »Logo.« Eli hielt an und öffnete mir die Beifahrertür. Er sagte: »Es ist ein Initiationsritus. Mein erster Job überhaupt war, das Anzeigenblättchen von Colby per Fahrrad rumzukarren.«
    »Ich habe auch schon gejobbt«, meinte ich.
    »Ach ja? Was denn zum Beispiel?«
    »Einmal habe ich einem Englischprofessor während der Sommerferien bei der Bibliographie für sein neues Buch geholfen. Außerdem war ich so eine Art Sekretärin beim Steuerberater meiner Mutter. Und letztes Jahr hab ich an der
Huntsinger
Nachhilfeunterricht gegeben.«
    Ich persönlich hatte das immer für einen ziemlich beeindruckenden Lebenslauf gehalten. Doch Eli warf mir nur einen seiner ungerührten Blicke zu. »Du bist so was von fällig in puncto Zeitungsbote.« Er trat aufs Gaspedal. »Wenigstens für eine Nacht.«
    Und so kam es, dass wir gegen zwei Uhr nachts quer durch Colby fuhren, nachdem wir erst bei Clyde und im Supermarkt gewesen waren. Eli ließ seinen Truck langsam durch die stillen Straßen rollen. Zwischen uns lag ein Stapel Zeitungen, er hielt eine Abonnentenliste in der Hand.
    »Elfhundert.« Er deutete auf ein Terrassenhaus zu unserer Rechten. »Du bist dran.«
    Ich nahm eine Zeitung, wog sie in der Hand, zielte, warf sie Richtung Auffahrt. Sie prallte vom Bordstein ineinen Haufen gemähten Grases. »Ups«, sagte ich. Eli bremste, ich stieg rasch aus, holte mir die Zeitung und startete einen zweiten Versuch, der etwas besser gelang: Diesmal landete sie am rechten hinteren Ende der Zufahrt. »Ist schwieriger, als es aussieht«, meinte ich, als ich wieder einstieg.
    »Das gilt für das meiste im Leben«, erwiderte Eli, schnappte sich eine Zeitung. Sie segelte in einem anmutig gerundeten Bogen auf das nächste Haus zu und landete mitten auf der Türschwelle. Die Zeitungsbotenversion eines perfekten Bowlingswurfs, also eine Zehn. Ich sah ihn verdutzt an. Er zuckte die Achseln. »Wie schon gesagt, das Anzeigenblättchen von Colby. Zwei geschlagene Jahre lang.«
    »Trotzdem«, sagte ich. Mein nächster Wurf gelang schon etwas besser, war allerdings viel zu weit angesetzt. Die Zeitung landete auf dem Rasen, deshalb musste ich wieder aussteigen, um sie an eine Stelle zu legen, wo sie im Morgentau nicht feucht werden würde. »Mann, bin ich eine Versagerin.«
    »Das war erst deine zweite«, meinte er und beförderte seine nächste Zeitung mit einem weiteren formvollendeten Wurf vor die Haustür eines Bungalows, in dessen Vorgarten ein pinkfarbener Flamingo stand.
    »Trotzdem«, wiederholte ich.
    Ich spürte seinen Blick auf mir, während ich mich angestrengt auf den nächsten Wurf konzentrierte. Die Zeitung landete auf den Stufen zur Haustür (gut), prallte jedoch ab und rutschte ins Gebüsch daneben (weniger gut). Als ich mit ein paar Ranken im Haar zumAuto zurückkehrte, war mein Frust wohl nicht zu übersehen.
    »Schon in Ordnung, wenn man nicht alles gleich gut kann«, meinte Eli und beförderte eine weitere Zeitung punktgenau auf eine Türschwelle.
    »Es geht hier gerade ums Zeitungausliefern.«
    »Und?«
    »Wenn ich zum Beispiel in Quantenphysik oder in Chinesisch versage, ist das in gewisser Weise okay, weil das schwere Sachen sind«, meinte ich, während er erneut einen Zehnerwurf ausführte: Mann, war das nervig! »Sachen, bei denen man sich wirklich sehr anstrengen muss, um sie zu können.«
    Er sah schweigend zu, während ich an einer weiteren Haustür vorbeizielte – ungefähr einen Kilometer daneben.

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