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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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Jahr davor gab es ein riesiges Renaissancefest, mit historischen Dekorationen. Aber dieses Jahr   … Ich hab so überhaupt keine Idee. Ich bin zurzeit auch nicht gerade in Partystimmung.«Sie streichelte sanft über Isbys Wange, steckte einen Zipfel ihrer Decke sorgfältig fester.
    »Dir fällt bestimmt noch etwas ein«, meinte ich.
    Wieder klingelte ihr Handy. Sie klemmte sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter. »Hi, Morgan. Nein, kein Problem. Ich habe nur gerade mit Elaine gesprochen.« Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß. Und ich weiß es zu schätzen. Trotzdem ist es so   … Ich fasse es einfach nicht! Letztes Jahr um dieses Zeit habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als dass Robert und ich ein Kind zusammen bekommen, und jetzt   …«
    Sie schluckte hart. Ich konnte die Stimme der Frau am anderen Ende der Leitung hören, die leise und beruhigend auf Heidi einredete. Ich schob meinen Stuhl zurück, stellte den Becher in die Spüle. Behutsam ging ich aus der Küche, in den Flur, und musste schon wieder daran denken, wie mein Vater mit der Reisetasche in der Hand durch die Haustür verschwunden war. Es war schrecklich, der absolute Horror, von jemandem verlassen zu werden. Man konnte sich aufraffen, nach vorn schauen, das Beste draus machen – doch wie hatte Eli es formuliert? Ein Ende war ein Ende. Egal, wie viele Seiten voller Sätze und Absätze mit großartigen Geschichten darauf zugeführt hatten – das Ende hatte immer das letzte Wort.
    ***
    Als ich zwei Stunden später aus dem Haus ging, schliefen Heidi und Isby. Wer es nicht besser wusste, hätte meinen können, im Haus herrsche tiefster Frieden.
    Aber ich war total durcheinander. Warum eigentlich?Es ergab keinen Sinn. Erstens war Heidi nicht meine Mutter, zweitens hatte ich damals – als bei meinen Eltern vor Jahren dasselbe abgegangen war – keinerlei Probleme gehabt. Klar war ich enttäuscht und ein wenig traurig gewesen, doch soweit ich mich erinnerte, hatte ich mich den neuen Verhältnissen ziemlich schnell angepasst. Es war mir also im Prinzip gut gegangen, abgesehen natürlich von meiner chronischen Schlaflosigkeit. Aber die fing ja schon vorher an. Woran ich mich von damals eben nicht erinnern konnte, war das seltsame Panikgefühl, das mich heute Morgen beim Abgang meines Vaters überfallen hatte. Und das seitdem noch nicht verschwunden war. Es ähnelte meiner Mitternachtsstimmung, wenn mir bewusst wurde, wie lang die Nacht noch sein würde, die mir bevorstand.
    Zum Glück hatte ich meine Arbeit. Ich war noch nie so froh gewesen, in die Boutique gehen zu können. Wie üblich herrschte Hochbetrieb, als ich kam. Maggie beriet gerade zwei Kundinnen   – Mutter und Tochter – wegen Jeansshorts und winkte mir zur Begrüßung zu, während ich mir die Quittungen und Rechnungen von der Theke griff. Ich schloss die Bürotür hinter mir, schaltete das Licht an und war bereit, mich bis Ladenschluss kopfüber in die Zahlen zu stürzen. Kaum hatte ich angefangen, klingelte mein Handy.
    MOM, stand auf dem Display. Ich starrte es an, sah zu, wie das kleine Gerät einmal, zweimal, dreimal auf der Tischplatte vibrierte. Ich überlegte kurz, ob ich drangehen und ihr alles erzählen sollte. Doch schon im nächsten Moment wurde mir klar, dass das vermutlich dieschlechteste Idee aller Zeiten war. Für sie wäre es nämlich besser als Weihnachten und Geburtstag zusammen und ihren Triumph, ihre Schadenfreude und Befriedigung konnte ich jetzt nicht ertragen. Außerdem hatte sie mir am Vortag den Hörer hingeknallt und damit unmissverständlich klargemacht, dass sie sich nicht wirklich dafür interessierte, wer ich war. Deshalb hatte ich jetzt das Recht, sie so lange auf Abstand zu halten, wie ich wollte.
    Während der nächsten zwei Stunden versenkte ich mich in Heidis Buchhaltung. Nie war ich dankbarer für die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit von Zahlen und Kalkulationen. Nachdem ich mit den Abrechnungen fertig war, konzentrierte ich mich auf den Schreibtisch, der seit meinem ersten Tag in diesem Büro das totale Chaos war. Ich konnte richtig spüren, wie mein Blutdruck allmählich sank, während ich Heidis Filzstifte ordnete, die wegwarf, die nicht mehr schrieben, und alle anderen schön gerade und aufrecht in den rosa Becher stellte. Anschließend machte ich mich über die oberste Schreibtischschublade her, sortierte herumfliegende Zettel, stapelte Unmengen Visitenkarten säuberlich aufeinander, sammelte lose Büroklammern in einer

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