Dessen, S
vor mir auf dem Tisch ausgebreitet lag. »Ich wollte nur …«
»Dein Koffeinnachschub«, sagte sie und hielt mir meinen Becher hin, als plötzlich etwas hinter ihr vorbeisauste. Etwas Rotes, das im nächsten Moment mit einem lauten Aufprall an der Flurwand landete.
»Hey!«, brüllte Esther. »Was war das denn, verdammt?«
»Was glaubst du denn?«, brüllte eine männliche Stimme zurück. Adam.
Sie öffnete die Tür und betrachtete den Ball, der langsam zurück Richtung Laden rollte. »Nicht dein Ernst, Mann.«
»Doch«, johlte Adam vergnügt. »Kickball. Heute Abend. Macht euch aufs Nasswerden gefasst.«
»Und wer hat das entschieden?«, ließ sich Maggie aus dem Hintergrund vernehmen.
»Wer wohl?«
Esther trat in den Flur, hob den Ball auf. »Etwa Eli?«
»Eben der.« Ich hörte Schritte. Adam erschien in meinem Blickfeld und streckte die Hände aus. Esther gab ihm den Ball, er nickte mir zur Begrüßung zu. »Als er heute im Laden auftauchte, und zwar erst ziemlich spät, hatte er den hier unterm Arm. Er wirkte richtig aufgekratzt.«
»Echt?«
»Ja. Wir konnten es kaum fassen.« Adam prellte den Ball auf. »Aber er meinte es absolut ernst. Heute Abend nach Geschäftsschluss, das erste Spiel der Saison. Die Mannschaftsaufstellung beginnt exakt um fünf nach zehn.«
»Hilfe, nein!« Maggie kam zu den beiden anderen. »Wenn ich an den zweiten Anschlagpunkt muss, spiele ich nicht mit.«
Adam zeigte anklagend mit dem Finger auf sie: »Das ist die beklagenswerte Einstellung eines Drückebergers.«
»Letztes Mal war ich total aufgeweicht!«, wandte sie ein.
»Letztes Mal ist ein Jahr her. Jetzt hab dich nicht so. Eli kommt endlich ein bisschen aus der Deckung, da kannst du ruhig ein bisschen nass werden.«
»Ja, schon Wahnsinn, dass er endlich wieder Bock drauf hat«, sagte Esther zu Maggie. »Woher dieser Sinneswandel?«
Ich wandte mich schnell meinem Kaffeebecher zu. Aber nicht schnell genug: Den Blick, den Maggie mir auf Esthers Bemerkung hin zuwarf, hatte ich trotzdem mitbekommen.
»Wer weiß das schon?«, meinte Adam. »Ist doch egal. Hauptsache, es ist so. Wir sollten uns einfach darüber freuen und Ende. Also, bis heute Abend um zehn.«
Damit ging er dribbelnd davon. Esther folgte ihm seufzend, doch Maggie sah mich immer noch an. Ich räumte alles sorgfältig wieder in die Schublade, wobei ich die Fotos ganz nach oben legte. »Hey, alles klar?«, fragte sie.
»Klar, alles bestens.«
Was absolut der Wahrheit hätte entsprechen sollen. Schließlich hatte ich dieselbe Nacht hinter mir wie Eli, und er war mit einer vollkommen neuen Einstellung aufgewacht. Ich sollte selig durch die Gegend schweben und mich mehr auf das Kickballmatch freuen als alle anderen zusammen, insbesondere, weil Eli dabei sein würde. Aber je weiter der Zeiger auf der Uhr Richtung zehn rückte, umso unwohler fühlte ich mich. Ab neun krampfte sich mir mit jeder Minute, die verging, mehr der Magen zusammen.
Um Punkt zehn erschien Maggie im Türrahmen, winktemit ihrem Schlüsselbund. »Los, auf geht’s«, meinte sie. »Um fünf nach wird eingeteilt, wer an den zweiten Anschlagpunkt muss, und glaub mir, das möchtest du nicht sein. Da steht man nämlich praktisch die ganze Zeit im Wasser.«
»Ach, weißt du, ich glaube, ich bleibe heute etwas länger«, erwiderte ich. »Ich hab eure Gehaltsschecks noch nicht abgerechnet, Ablage ist auch mal wieder dringend nötig …«
Sie musterte erst mich und dann die säuberlich in dem Becher aufgestellten Stifte. »Ach ja?«
»Ja. Ich komme irgendwann nach.«
»Irgendwann«, wiederholte sie. Ich nickte, beugte mich demonstrativ über den Schreibtisch. »Na gut, wir warten auf dich.« Ihr Ton war deutlich reservierter.
Endlich verschwand sie. Ich klebte eifrig Etiketten auf Aktenordner. Hörte, wie Maggie und Esther die Kasse abschlossen, den Laden verließen. Kaum war die Tür hinter ihnen zugefallen, schob ich meinen Stuhl zurück. Aber anstatt aufzustehen, blieb ich eine Viertelstunde lang regungslos hocken. Dann ging ich in den dunklen Ladenraum, stellte mich ans Schaufenster.
Sie hatten sich ein Stück die Promenade runter versammelt, am Hauptzugang zum Strand. Maggie saß neben Adam auf einer Bank, Esther auf seiner anderen Seite. Wallace und ein paar andere Typen, die ich vom Sehen aus dem Fahrradladen kannte, standen daneben und schienen sich prächtig zu amüsieren. Dann kam Leah und quetschte sich neben Maggie. Immer mehr Leute trudelten ein, von denen ich einige
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