Dessen, S
immer: Er liebt sie, sie will sich nicht richtig einlassen, bla bla bla. Normalerweise lassen sich die Typen ja leicht einschüchtern und verscheuchen, aber der hier ist echt hartnäckig. Er lässt einfach nicht locker und all ihre Psychokacke kommt wieder hoch.«
»Wow«, meinte ich. »Klingt nach Stress.«
»Wenn es um sie geht, ist alles Stress«, erwiderte er. »Oh, ich muss wirklich wieder rein, Aud, zum Brainstorming. Aber noch mal ganz im Ernst, gib ihr noch eine Chance.«
»Hollis, ich weiß nicht, ob …«
»Denk wenigstens drüber nach, okay? Tu’s für mich.«
Eigentlich hatte ich nicht das Gefühl, dass ich Hollis so viel schuldete. Trotzdem – er konnte wohl wirklich gut mit Menschen umgehen – antwortete ich: »In Ordnung. Ich überleg’s mir.«
»Danke. Und ruf mich später noch mal an, okay? Ich würde gern hören, was sonst noch abgeht.«
Ich versprach es ihm und er legte auf. Entschwand zu seinem Brainstorming. Ich hielt Wort und überlegte tatsächlich, ob ich meine Mutter anrufen sollte. Ich entschied mich dagegen. Aber erst, nachdem ich es ernsthaft erwogen hatte.
Ansonsten ging alles seinen gewohnten Gang. Ich versuchte, Heidi aus dem Weg zu gehen, während sie sich kopfüber in die Vorbereitungen zur Strandparty stürzte. Ignorierte weiterhin die Nachrichten meiner Eltern. Las noch ein Kapitel, beantwortete die dazugehörigen Fragen. Machte das Licht aus, wenn mir die Augen zufielen, lag im Dunkeln und hatte das Gefühl, auf keinen Fall einschlafen zu können, bis ich schließlich einschlief. Ich konzentrierte mich auf meine Lernerei und meine Arbeit und erlaubte meinen Gedanken nicht, sich auf irgendetwas anderes zu richten. Außer, ich saß auf dem Fahrrad. Dann dachte ich nur an Eli.
Seit dem Morgen, an dem Adam und ich auf der Promenadean ihm vorbeigerast waren, hatte ich ihn ein paarmal gesehen: Ich stand im
Clementine's
an der Theke, weil ich irgendetwas holen wollte, und er lief just in dem Augenblick am Schaufenster vorbei. Oder er kam mit Kunden aus dem Fahrradladen, um ihnen ein Rad vorzuführen. Es war ziemlich einfach, mir selbst einzureden, dass wir nur deshalb nicht miteinander sprachen, weil wir beide soviel zu tun hatten. Zwischendurch glaubte ich es sogar selbst. Doch dann fiel mir ein, was ich zu ihm übers Schleifenlassen gesagt hatte, und sein Gesichtsausdruck, unmittelbar bevor er sich umdrehte – und dann wusste ich wieder: Das war nicht der Grund. Ich hatte die Entscheidung ganz bewusst getroffen. Was ich mit Eli erlebt hatte, war einmalig. Noch nie war ich jemandem so nahe gewesen. Aber letztlich zählte das nicht. Denn entweder ließ man sich ganz ein oder gar nicht.
Worüber ich auf dem Fahrrad allerdings am intensivsten nachdachte, war meine Mission. Solange wir mittendrin gewesen waren, kam sie mir vor wie ein witziges Spielchen, etwas, um die Zeit totzuschlagen. Doch allmählich wurde mir klar, dass es um wesentlich mehr ging. Mit jeder Nacht, jeder Aufgabe, die ich erfüllen musste, hatte er mir geholfen, in meine Vergangenheit zurückzukehren und ein paar Dinge zurechtzurücken. Eli hatte mir all diese zweiten Chancen geschenkt. Und trotzdem hatte am Ende noch eine Sache gefehlt. Und wenn ich auf dem Parkplatz des Jump-Parks herumkurvte, während Maggie hinter mir herlief, wünschte ich mir, ich könnte ihm diese eine Sache nun auch zeigen. Mir war klar, dass es meine Worte nicht besser machen würde.Doch aus irgendeinem Grund wollte ich trotzdem, dass er Bescheid wusste.
Morgens übte ich also eifrig Fahrrad fahren und nachts hockte ich vor meinem Laptop und suchte mir Videos von den vielen Rennen zusammen, die Eli mittlerweile fuhr. Wenn ich ihn so anguckte, hatte ich das Gefühl, meine linkischen Versuche und seine beeindruckenden Sprünge hätten nicht das Geringste miteinander zu tun. Aber letztlich saßen wir beide nur auf Fahrrädern. Versuchten, uns vorwärtszubewegen, auf das zu, was auch immer vor uns lag. Eine Radumdrehung nach der anderen.
***
Erst hörte ich Gekreische, dann Gekicher. Doch erst als die Musik anfing, legte ich meinen Stift zur Seite und ging nachschauen, was los war.
Es war Viertel nach zehn. Ich tat das, was ich zurzeit jeden Abend tat: mich aufs Lernen konzentrieren. Nachdem ich mit der Arbeit im
Clementine's
fertig war, hatte ich mir bei
Beach Beans
ein Sandwich gekauft und es allein in der Küche gegessen, wobei ich es sehr genoss, das Haus für mich zu haben. Ich hatte es mir gerade gemütlich gemacht und war
Weitere Kostenlose Bücher