Dessen, S
ja.« Als würde sie verstehen, was ich meinte. »Geht uns das nicht allen so?«
Vielleicht verlief Kommunikation zwischen normalen Müttern und Töchtern etwas direkter: Sie sagten genau das, was sie meinten, ein Satz ergab den nächsten, ohne dass irgendwelche Fragen, Zweifel, Mehrdeutigkeiten zurückblieben. Mom und ich hatten aber kein normales Mutter-Tochter-Verhältnis. Für uns kam diese stockende Unterhaltung einem Aufeinanderzugehen am nächsten. Als würde man die Hände nach einander ausstrecken, aber nicht die Finger erwischen, sondern nur die Schulter. Egal. Man hielt trotzdem fest.
Für eine Weile schwiegen wir beide. Schließlich sagte ich: »Ich muss Schluss machen. Unten warten Freundinnen auf mich.«
»Natürlich.« Sie hüstelte. »Rufst du mich morgen wieder an?«
»Ja. Versprochen.«
»Sehr schön. Gute Nacht, Auden.«
»Gute Nacht.«
Ich legte das Handy neben das Lehrbuch auf mein Bett und ging zur Tür. Während ich die Treppe hinunterlief, hörte ich wieder die vertraute Melodie, lauter als vorher.
»… ich verstehe einfach nicht, warum wir auf einmal kollektiv so tun, als wäre der Abschlussball so toll gewesen«, sagte Isabel gerade.
»Weil es so war«, erwiderte Morgan.
»Für einige von euch vielleicht.«
»Genau«, meinte Esther. »Einige von uns hatten Begleiter, die so besoffen waren, dass sie es den ganzen Abend nicht vom Parkplatz runter schafften.«
Morgan prustete los. Isabel sagte: »Halt die Klappe.«
»Ich persönlich finde, der Abschlussball gehört zu den Sachen, die man an der Schule entweder total super oder das Letzte findet«, mischte Heidi sich ein. »Genau wie die Schule selbst.«
»Ich war gern auf der Highschool«, meinte Maggie.
»Klar«, sagte Leah. »Du hattest den schärfsten Freund und die besten Noten und alle haben dich geliebt.«
»
Du
wolltest doch von niemandem geliebt werden«, sagte Esther zu ihr.
»Ich hätte trotzdem nichts dagegen gehabt, wenn es jemand getan hätte«, antwortete Leah.
»Vergiss nicht, mein Highschoolfreund hat mir das Herz gebrochen«, meinte Maggie.
»Meiner auch!« Morgan seufzte. »Das war vielleicht ätzend!«
»Er war eine Niete«, sagte Isabel zu ihr. »Viel zuviel Haargel.«
Jetzt prustete Esther los. Und Leah konterte: »Halt die Klappe.«
»Trotzdem, merkt ihr es denn nicht?«, mischte Heidi sich ein. »Genau deshalb ist es ein ideales Motto. Diejenigen, die sich auf dem Abschlussball amüsiert haben, können den Spaß wiederholen. Die anderen, für die es der Horror war, bekommen noch eine Chance. So hat jeder einen Vorteil davon.«
»Außer den armen Schweinen, die dazu verdonnertwurden, dreihundert Geschenktüten zu befüllen«, grummelte Leah. Blickte auf, bemerkte mich. »Hey. Hast du beschlossen, dass du auch ein armes Schwein sein möchtest?«
Ich spürte Heidis Blick auf mir, sah ihren besorgten Gesichtsausdruck, als sie meine rot geweinten Augen registrierte. Und schluckte. Doch ich antwortete: »Absolut.«
Maggie rückte mit ihrem Stuhl ein wenig beiseite, damit ich mich zu den anderen an den Tisch setzen konnte. »Na, Auden«, meinte Isabel. »Pro oder kontra Abschlussball?«
»Kontra«, erwiderte ich. »Ich wurde versetzt.«
Allgemeines Entsetzen. »Wie bitte?!«, rief Morgan aus. »Das ist ja furchtbar!«
»Außerdem ist der Typ gerade in der Stadt und bombardiert sie mit SMS«, meinte Leah.
»Weißt du, was du tun solltest?«, sagte Morgan. »Du solltest ihn zum Strandball einladen und dann
ihn
versetzen.«
»Morgan!«, rief Isabel übertrieben entsetzt. »Seit wann bist du so rachsüchtig?«
»Meiner Meinung nach solltest du dir jemanden suchen, mit dem du gern hingehen würdest«, sagte Heidi. »Und es diesmal von vorn bis hinten genießen. So sehe ich das.«
»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Ich glaube, dazu ist es etwas zu spät.«
»Nicht unbedingt«, sagte Leah. »Heute ist Ladies Night im
Tallyho
.«
Ich lächelte. »Ho ho ho, nieder mit dem
Tallyho
.«
»Braves Mädchen!« Maggie strahlte, stieß mich mit der Schulter an.
Alle lachten. Und übergangslos wurde von etwas anderem geredet. Die Wechsel waren rasant. Das Reden, die Gefühle, das Fragen und Antworten, das Pingpong der Kommunikation – mir wurde schwindelig, wenn ich versuchte, mich allzu sehr darauf zu konzentrieren. Deshalb beschloss ich, mich zu entspannen. Ausnahmsweise loszulassen, mitzumachen, es einfach zu genießen.
Sechzehn
»Wow! Hübsche Abschürfung.«
Ich blickte auf. Adam, der eine
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