Dessen, S
Abenteuer war das richtige Outfit womöglich genauso entscheidend wie der richtige Proviant.
»Doch.« Ich zog mit den Fingerspitzen den Rock ein wenig beiseite. Als ich den Stoff losließ, glitt er zurück, legte sich in dieselben fließenden Falten wie zuvor – als hätte er gewusst, wo er hingehörte. »Es ist perfekt.«
Siebzehn
Am Morgen des Tages, an dem die Strandparty stattfinden sollte, wachte ich um acht auf, weil ich Isby weinen hörte. Ich drehte mich auf die andere Seite, vergrub den Kopf unterm Kissen und wartete darauf, dass Heidi auftauchte, um sie zu beruhigen. Nach ein paar Minuten wurde aus dem leisen Quengeln jedoch lautes Jammern, und als sie schließlich vehement zu brüllen anfing, stand ich notgedrungen auf, um nachzuschauen, was los war.
Isby lag in ihrem Bettchen. Ihr Haar war völlig verschwitzt und verklebt, ihr Gesicht puterrot. Als ich mich über sie beugte, schrie sie prompt noch lauter, fuchtelte wie wild mit den Ärmchen herum. Ich hob sie hoch, drückte sie sanft an meine Brust, worauf sie sich ein wenig beruhigte und nur noch eine Reihe Stoßseufzer von sich gab.
»Alles gut«, sagte ich beschwichtigend und wiegte sie leicht hin und her, während ich mit ihr zur Tür ging, den Flur entlangsah. Keine Spur von Heidi, was ich etwas beunruhigend fand. Ich kehrte ins Zimmer zurück, wechselte Isbys Windel – prompt besserte sich ihre Laune. Anschließend wickelte ich sie fest ein, Eli-Style, und gingnach unten. Heidi saß am Küchentisch und telefonierte. Vor ihr häuften sich die Geschenktüten für den Ball.
»Ich verstehe dein Problem, Robert«, sagte sie, als ich hereinkam, und spielte gedankenverloren mit ihrem Kaffeebecher. »Aber ich habe mich nun einmal darauf verlassen, dass du sie heute nimmst, und weiß nicht, ob ich so kurzfristig jemand anderen finde.«
Die Stimme meines Vaters drang durchs Telefon bis zu mir. Sie zu hören brachte mir schlagartig ins Bewusstsein, wie lange ich nicht mehr mit ihm gesprochen hatte: eine Woche, vielleicht sogar zwei. Anscheinend hatte er kapiert, was ich ihm mitteilen wollte, indem ich seine Nachrichten ignorierte, denn auch auf meiner Mailbox hinterließ er seit einiger Zeit nichts mehr.
»Weißt du was«, sagte Heidi plötzlich, »schon okay. Ich suche mir wen anders. Nein, mach dir keine Sorgen. Wirklich. Aber ich muss jetzt Schluss machen, weil ich noch eine Menge zu erledigen habe und …«
Was auch immer mein Vater jetzt sagte – Heidi reagierte nur mit Stirnrunzeln und Kopfschütteln.
Ich zögerte, wollte schon wieder nach oben gehen. Doch in dem Moment gab Isby einen von ihren kleinen Schluckaufseufzern von sich. Heidi drehte sich um.
»Ich kann wirklich nicht länger telefonieren«, sagte sie und legte auf, ohne sich zu verabschieden. »Auden, tut mir leid, dass sie dich aufgeweckt hat. Ich dachte mir schon, ich hätte sie gehört, aber weil ich am Telefon war …«
»Schon gut«, sagte ich. Sie streckte die Arme nach Isby aus. »Ich war sowieso wach.«
»Wir beide, offensichtlich.« Sie legte sich Isby über dieSchulter, klopfte sanft ihren Rücken. Dabei ging sie zur Kaffeemaschine, schenkte uns beiden ein. Für sie war es eindeutig nicht der erste Becher. »Um vier bin ich aus dem Schlaf hochgeschreckt, weil mir alles, was ich in den nächsten fünfzehn Stunden erledigen muss, auf einmal einfiel. Und als ich gerade das Gefühl hatte, die Dinge einigermaßen in den Griff zu bekommen, rief natürlich dein Vater an und verkündete, er kann heute Abend doch nicht auf die Kleine aufpassen, weil er sofort nach New York fliegen muss. Am Montagmorgen trifft er sich gleich in der Früh mit seinem Agenten, wegen des Romans.«
Sie setzte sich mit Baby und Becher hin. Ich überlegte kurz. »Wenn du möchtest, kann ich bei ihr bleiben.«
»Du?!« Sie verneinte energisch. »Ausgeschlossen! Du gehst auf unseren großen Strandball!«
»Ich verzichte gern.«
»Unmöglich! Du hast eine Verabredung, ein Kleid, alles, was dazugehört.«
Ich zuckte die Achseln, betrachtete eifrig meinen Kaffee.
»Was ist denn los? Ich dachte, du freust dich«, sagte Heidi verwundert.
Ich wusste nicht, wie ich ihr mein unerwartetes Zögern erklären sollte, das sich eigentlich schon mit der Entdeckung des lila Kleides eingestellt hatte. Es war einfach nur so ein seltsames, trauriges Gefühl. Als wäre der Ball ein Reinfall, bevor er überhaupt stattgefunden hatte. »Ich weiß nicht genau«, erwiderte ich. »Vielleicht liegt es daran, dass es
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