Dessen, S
eben nicht der echte Highschool-Abschlussballist. Ich meine, es wird bestimmt lustig. Trotzdem kann es gar nicht das Gleiche sein, als wäre ich auf den richtigen gegangen.«
Heidi tätschelte Isby immer noch den Rücken. Schließlich meinte sie: »Okay, so kann man es natürlich sehen. Andererseits, überleg doch mal – du hast das Glück, noch eine Chance zu bekommen. Und es liegt an dir, daraus das Beste zu machen.«
»Ja, mag sein.«
»Ich gebe zu, es ist nicht ideal. Es bleibt eine Art Ersatz für eine verpasste Erfahrung. Was vermutlich der Grund ist, dass du momentan keine Lust hast.« Sie stellte ihren Becher ab. »Aber was ist schon ideal? Sehr wenig. Manchmal muss man seine eigene Lebensgeschichte eigenhändig ein wenig umschreiben. Dem Schicksal etwas nachhelfen, verstehst du, was ich meine?«
Mir fiel wieder ein, wie Eli und ich die Liste abgearbeitet hatten, um meine Mission zu erfüllen. Jeder Punkt (Bowling, Zeitungen austragen, mit Essen um sich schmeißen und so weiter) war erst sehr spät in meinem Leben passiert und nicht dann, wann man diese Dinge normalerweise machte. Trotzdem waren die Erfahrungen, die Erinnerungen daran genauso real. Im Gegenteil, sie kamen mir womöglich gerade deshalb so besonders vor, weil sie mir nicht einfach passiert waren, sondern ich sie erst hatte geschehen lassen. Mit ihm.
»Weißt du was?«, sagte ich zu Heidi. »Du hast vollkommen recht.«
»Wirklich?« Sie lächelte. »Das baut mich richtig auf, vor allem, wenn ich an den Tag denke, der vor mir liegt.«
»Das wird schon.« Ich trank meinen Kaffee aus, ging zur Kaffeemaschine, um mir frischen zu holen. Als ich am Küchentisch vorbeikam, schnappte ich mir Heidis Becher. »Ich bin wach, ich helfe gern. Was kann ich tun?«
Sie stöhnte, holte einen Notizblock hervor und schlug ihn auf. »Die Geschenktüten müssen in den Pavillon gebracht, die große Schüssel für die Bowle abgeholt werden. Um zehn Uhr sollte sich jemand mit dem DJvor Ort treffen, wegen des Soundchecks. Ach ja, und die Leute, die die Ballons aufblasen, wollen ihr Geld im Voraus, sonst rühren sie keinen Finger, einen Babysitter muss ich jetzt auch noch finden und …«
Ich stellte ihr den frisch gefüllten Kaffeebecher hin. Isby, die auf Heidis Schoß saß, schaute mich an. Ich streckte die Hand aus, streichelte über ihr Köpfchen. Ihre Haut war weich und warm. Dann schloss sie die Augen, kuschelte sich an ihre Mutter. Und schlief mitten im Chaos einfach friedlich ein.
***
Bis zum Mittag war ich zweimal beim Pavillon gewesen, hatte mich um die Luftballontypen gekümmert und mir die Schulter gezerrt, als ich Heidi half, den Hintergrund für die offiziellen Fotos – eine hölzerne Riesenwelle mit aufgemalten Fischen, gebastelt von der Kunstgruppe des örtlichen Seniorenvereins – an die richtige Stelle zu schieben. Mir tat alles weh, ich fühlte mich klebrig und dreckig und war gerade zurück nach Hause unterwegs, um einen Karton mit Bowlegläsern zu holen – da sah ich Jason.
Er stieg aus seinem Auto, das er direkt an der Promenade geparkt hatte. Als er mich bemerkte, versteifte er sich unwillkürlich, was ich sogar aus der Entfernung sah. Er hob die Hand, winkte mir zu.
»Auden«, rief er und lief mir entgegen. »Ich habe schon ein paarmal versucht, dich anzurufen.«
Ich sah plötzlich mein Handy vor mir, das ich vermutlich auf dem Küchentisch hatte liegen lassen. Oder? »Tut mir leid«, antwortete ich. »Ich renne schon den ganzen Morgen wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend.«
»Ja, das hat deine Stiefmutter mir erzählt«, erwiderte er. »Irgendwann habe ich es nämlich geschafft, die Festnetznummer deines Vaters rauszukriegen. Zum Glück gibt es in Colby nicht allzu viele Wests.«
Als mein Blick zufällig – oder vielleicht gar nicht so zufällig? – an Jason vorbeiwanderte, sah ich, wie hinter ihm Adam aus dem Fahrradladen trat. Er schob ein rotes Fahrrad, an dessen Lenkstange ein Schild hing: ICH WILL LOSFAHREN. Adam stellte es neben der Bank ab und ging wieder hinein. Die Tür fiel krachend hinter ihm zu.
»Ich muss wegen heute Abend mit dir reden«, sagte Jason.
»Ja?«
»Ich kann leider …« Er atmete tief durch. »Ich schaffe es zeitlich nicht. Ich kann nicht mitkommen.«
Ich hörte die Worte. Und war total überrascht über meine Reaktion. Mein Gesicht wurde heiß (und wahrscheinlich rot), mein Herz schlug schneller. Es war wie jedes Mal, wenn ich aufs Fahrrad stieg, diese untrennbareMischung
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