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Dessen, S

Dessen, S

Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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schlimmer, als ich es mir vorgestellt hab.«
    Obwohl ich mit einem harschen Urteil gerechnet hatte, spürte ich, wie mein Gesicht ganz heiß wurde. »Ich brauchte eine Regenjacke«, erwiderte ich. »Normalerweise würde ich nie   …«
    »Ich meine«, fuhr sie fort, »mir war klar, dass jede Art von Laden, die Heidi gehört, nicht meinem Geschmack entspricht. Aber
Booty Berry
? Und dieses Lolita-artige Badekostüm? Verkleiden wir Frauen uns inzwischen wieder als kleine Mädchen? Oder betonen noch extra, dass kleine Mädchen wie kleine Mädchen aussehen, um ihre Unschuld und Arglosigkeit auszuschlachten? Wie kann sie als erwachsene Frau, geschweige denn als Mutter, so etwas unterstützen?«
    Ich entspannte mich etwas, denn Moms Schimpftiraden waren mir so vertraut wie Kinderreime. »Andererseits kennt sie sich auf dem Markt aus«, sagte ich. »Das Zeug verkauft sich bestens.«
    »Natürlich, das ist mir auch klar. Was es jedoch nicht besser macht, im Gegenteil.« Seufzend klappte meineMutter ihren Schirm auf und bot mir dann ihren Arm, damit ich mich einhaken konnte. Dicht nebeneinander gingen wir weiter. »Und alles in Rosa. Man kommt sich in dem Laden vor wie in einer gigantischen Vagina.«
    Ich unterdrückte ein Kichern.
    »Doch ich vermute, genau das ist beabsichtigt.« Erneuter schwerer Seufzer. »Es ärgert mich nur so, weil es die weibliche Identität auf das niedrigstmögliche Niveau reduziert. So vulgär. Alles Verpackung, kein Inhalt.«
    Wir hatten das
Last Chance
erreicht. Ausnahmsweise stand an diesem Abend niemand Schlange. »Das Restaurant hier meine ich.« Ich deutete mit dem Kopf in Richtung Eingang. »Die Zwiebelringe sind superlecker.«
    Meine Mutter steckte kurz den Kopf durch die Tür. »Auf gar keinen Fall«, verfügte sie. »Ich brauche zumindest Tischdecken und eine Weinkarte. Lass uns weitersuchen.«
    Wir endeten schließlich in ihrem Hotel, einer schicken kleinen Unterkunft mit Namen
Condor
direkt an der Promenade. Das winzige, dunkle Restaurant wirkte trotz der wenigen Tische darin total vollgestellt. Vor den Fenstern hingen schwere dunkelrote Vorhänge, der Teppich war im selben Farbton gehalten. Meine Mutter entschied sich für einen Tisch in einer Nische, nickte zufrieden, als sie die flackernde Kerze darauf bemerkte, streifte sich ihren Pullover über den Kopf und bestellte bei der Wirtin erst einmal ein Glas Cabernet. Auf ihren scharfen Blick hin zog ich Heidis Jacke aus und stopfte sie in meine Tasche.
    »Und nun«, verkündete meine Mutter, nachdem sieihren Wein bekommen und einen tiefen Schluck genommen hatte, »erzähl mir von dem Roman deines Vaters. Ist er schon fertig? Hat er ihn dich schon lesen lassen?«
    Ich ließ mein Wasserglas auf der Tischdecke kreiseln und antwortete, ohne aufzublicken, zurückhaltend: »Noch nicht.« Denn mir war vollkommen klar, dass sie mehr hören wollte als bloß eine Antwort auf diese Fragen. »Aber er arbeitet Tag und Nacht an dem Manuskript.«
    »Klingt eher nach Neuanfang als nach letzten Überarbeitungen«, schloss sie messerscharf. Nahm die Speisekarte, überflog sie, legte sie wieder beiseite. Ich schwieg. »Andererseits hatte dein Vater schon immer seltsame Angewohnheiten beim Arbeiten. Ihm fällt das Schreiben nicht so leicht wie anderen Menschen.«
    Jawohl, dachte ich. Und dass es höchste Zeit war, das Thema zu wechseln. »Das Baby ist richtig süß«, sagte ich. »Aber sie schreit immer noch ziemlich viel. Heidi glaubt, sie hat möglicherweise Koliken.«
    »Wenn man nur
glaubt
, es liegt an Koliken, ist das höchstwahrscheinlich gerade nicht der Grund.« Meine Mutter trank noch einen Schluck Wein. »Bei Hollis bestand daran nicht die Spur eines Zweifels. Ich kam mit ihm aus dem Krankenhaus heim und er brüllte sich von Anfang an die Seele aus dem Leib. Drei Monate lang.«
    Ich nickte. »Ja, Thisbe ist auch ganz schön laut   …«
    »Thisbe.« Meine Mutter schüttelt ungläubig den Kopf. »Dieser Name   … Ich fasse es immer noch nicht. Dein Vater und sein Größenwahn. Wie heißt sie denn mit zweitem Namen? Persephone? Beatrice?«
    »Caroline.«
    »Tatsächlich?«
    Ich nickte.
    »Seltsam. Eine Mischung aus niedlich und altmodisch. Sieht ihm gar nicht ähnlich.«
    »Anscheinend hat Heidi dafür gekämpft. Und sich durchgesetzt.«
    »Sie hätte härter kämpfen sollen. Nicht nur um den Zweitnamen.«
    Der Kellner trat zu uns und erkundigte sich, ob wir Vorspeisen wollten. Meine Mutter bestellte für uns beide Jakobsmuschelcarpaccio sowie

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