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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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genug trank. Ob sie zuviel trank. Was der rote Fleck auf ihrem Bein bedeutete. (Schuppenflechte? Ein Ekzem? Das Brandmal des Teufels?) Ob es ihr wehtat, soviel zu brüllen, ob ihr die Haare ausfallen würden, ob ihre Kacke die richtige Farbe hatte   … Und jetzt wollte sie das Kind zu allem Überfluss in eine Identitätskrise stürzen.
    »Sieh dir das an!«, sagte sie eines Tages, als ich gegen vier Uhr nachmittags für meine tägliche Ration Koffein in die Küche kam. Sie und Thisbe lagen im Wohnzimmer auf dem Fußboden, denn es war »Zeit fürs Bäuchlein«, wie Heidi es nannte. Sie hielt sich gewissenhaft daran, das Baby jeden Tag für eine gewisse Zeit auf den Bauch zu legen, weil es angeblich verhinderte, dass die Kinder einen flachen Hinterkopf bekamen. »Sieh sich einer an, wie stark du bist!«
    Zunächst war ich zu sehr damit beschäftigt, mir meinen lebensnotwendigen Kaffee einzuflößen, und achtete nicht weiter auf die beiden. Außerdem hatte ich mittlerweileaus reinem Selbstschutz eine Methode entwickelt, Heidi einfach auszublenden. Aber nach einem halben Becher fiel mir allmählich auf, dass irgendetwas nicht stimmte. Vielmehr fehlte.
    »Caroline«, trällerte sie vor sich hin, ein munterer Sprechgesang, bei dem sie jede Silbe betonte. »Wo ist mein hübsches kleines Mädchen, meine Caroline?«
    Ich schenkte mir Kaffee nach, ging mit meinem Becher ins Wohnzimmer. Heidi beugte sich über das Baby, das angestrengt seinen großen, potenziell gefährdeten Kopf in die Höhe hielt. »Caroline.« Heidi kitzelte das Baby am Rücken. »Meine süße kleine Miss Caroline West.«
    »Ich dachte, sie heißt Thisbe«, sagte ich.
    Heidi fuhr erschrocken zusammen, blickte zu mir hoch. »Auden«, stammelte sie. »Ich   … ich habe dich gar nicht reinkommen hören.«
    Ich sah erst sie an, dann das Baby, dann wieder sie. »Ich bin im Prinzip auch schon fast wieder weg«, sagte ich und wandte mich zum Gehen. Wähnte mich, als ich die unterste Treppenstufe erreichte, bereits in Sicherheit, da redete Heidi weiter.
    »Ich kann den Namen nicht ausstehen!« Ich drehte mich um. Sie blickte mit hochrotem Kopf zur Decke hoch, als hätte das jemand anderer gesagt. Dann hockte sie sich seufzend auf ihre Fersen. »Ich mag ihn einfach nicht«, sagte sie etwas langsamer und ruhiger. »Ich wollte sie Isabel nennen. So heißt eine meiner besten Freundinnen hier in Colby. Und der Name hat mir immer super gefallen.«
    Ich warf einen langen, sehnsüchtigen Blick in Richtungoberes Stockwerk, wo mein Vater in seinem Arbeitszimmer saß, und wünschte mir im Stillen – wie jedes Mal in diesen Momenten   –, er wäre statt meiner hier. Doch seit Neuestem versank er immer mehr in seiner Arbeit. Und die Äpfel stapelten sich ungegessen neben der Tastatur.
    Deshalb kehrte ich zu Heidi ins Wohnzimmer zurück. »Warum hast du es nicht einfach getan?«
    Sie biss sich auf die Unterlippe. Streichelte gleichzeitig Thisbes Rücken. »Dein Vater wollte, dass sie einen Namen aus der Literatur bekommt«, antwortete sie. »Isabel war ihm zu gewöhnlich. Er fand, mit so einem Namen könnte nie etwas Großes aus ihr werden. Ich glaube aber, Thisbe ist
zu
exotisch,
zu
ungewöhnlich. Ist doch bestimmt furchtbar, einen Namen zu haben, den kein Schwein kennt, meinst du nicht?«
    »Nicht unbedingt«, antwortete ich.
    Sie riss erschrocken die Augen auf. »Oh! Auden! Damit wollte ich nicht sagen, dass deiner   …«
    »Ich weiß, ich weiß.« Beschwichtigend hob ich die Hände, um ihre Entschuldigungsarie von vornherein abzukürzen. »Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ein ausgefallener Name nicht unbedingt ein Problem sein muss. Das ist alles, was ich meine.«
    Sie nickte, sah dann wieder zu Thisbe. »Tja«, meinte sie, »das beruhigt mich ein bisschen.«
    »Aber wenn dir der Name nicht gefällt«, fügte ich hinzu, »nenn sie doch einfach Caroline. Ich meine   …«
    »Wer wird hier Caroline genannt?«
    Ich fuhr zusammen. Mein Vater stand am Fuß der Treppe. Offensichtlich war ich nicht die Einzige in diesemHaus, die still und heimlich durch die Gegend schlich. »Ach, du bist es«, antwortete ich. »Wir haben nur gerade darüber geredet, dass das Baby einen zweiten Namen   …«
    Er fiel mir ins Wort: »Ja, einen
zweiten
Namen. Und auch nur deshalb, weil ihre Mutter darauf bestand. Ich wollte sie Thisbe Andromeda nennen.«
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Heidi schmerzlich zusammenzuckte. »Wirklich?«, fragte ich.
    »Zwei kraftvolle Namen!« Wie um

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