Dessen, S
»nach Hause gehen« oder »noch was erledigen«, doch in exakt diesem Moment sah ich über Maggies Schulter hinweg in Richtung Fahrradladen: Eli saß auf der Bank davor, das Geschäft war bereits dunkel und abgeschlossen. Ausnahmsweise würde ich ihn nicht suchen müssen. Also alles easy. Oder wäre es zumindest gewesen – denn er war nicht allein.
Belissa Norwood stand vor ihm, die Hände in den Taschen vergraben. Der Wind blies ihr die Haare insGesicht. Sie war nicht so aufgebrezelt wie bei der Party, trug nur Jeans und ein ärmelloses blaues Oberteil und hatte einen Pullover um die Hüften geschlungen. Sie sah wesentlich besser aus als beim ersten Mal. Weniger war mehr, in der Tat.
Sie sagte gerade etwas zu Eli, der sie allerdings nicht ansah, sondern vorgebeugt dasaß, das Gesicht in den Händen vergraben. Dann sagte sie noch etwas und er blickte zu ihr hoch. Nickte. Ich konnte nicht anders, als zu ihnen hinüberzustarren, während sie sich nun neben ihn setzte. So dicht, dass ihr Knie seins berührte. Und im nächsten Moment lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen.
»Auden?«, sagte Leah. Als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkte, drehte sie sich um. Doch in dem Moment kamen ein paar Typen aus der Saftbar nebenan und versperrten ihr die Sicht. »Was hast du?«
»Nichts«, erwiderte ich rasch. »Ich komme jedenfalls mit.«
***
Wallaces Wohnung befand sich im Erdgeschoss eines grün gestrichenen Hauses nicht weit vom Strand entfernt. Der Garten bestand überwiegend aus festgetretener Erde mit ein paar Grasbüscheln, auf der seitlichen Veranda stand eine Waschmaschine, über dem Garagentor hing ein Schild, auf dem aus unerfindlichen Gründen ›Sentimental Journey‹ stand.
»Interessanter Name«, sagte ich, während ich mit Esther und Maggie auf das Haus zulief. Ich trug die Tütemit dem Zeug, das wir an der Tanke besorgt hatten: Ketchup, Senf, Mayonnaise und Schokosoße. Leah trödelte, Handy am Ohr, hinter uns her und telefonierte auf der verzweifelten Suche nach einer besseren Party-Alternative.
»Stammt noch von den Vermietern«, meinte Maggie. »Irgendwie macht man das in Badeorten – Häusern Namen zu geben. Wallaces letzte Wohnung war in einem Haus, das ›Möwenschrei‹ hieß.«
»Schrecklicher Name«, sagte Esther. »He, Maggie, und erinnerst du dich noch an das Häuschen, in dem Eli und Abe gewohnt haben, drüben auf der Fourth Street? Wie hieß das noch gleich?«
»›Sommerliebe‹«, erwiderte Maggie. Wir stiegen die Stufen zur vorderen Veranda hoch. »Obwohl da nichts dran war, das man auch nur im Entferntesten hätte lieben können. Meine Güte, was für ein Loch.«
Genau in diesem Moment erschien Adam, der einen Ofenhandschuh trug, in der offenen Tür. Prompt legte er gekränkt die Hand samt Handschuh auf sein Herz. »Ihr wart ja noch nicht mal drinnen!«
»Ich meinte nicht dieses Haus«, sagte Maggie. Adam trat einen Schritt zur Seite, um uns reinzulassen. »Denn hier ist es … sehr nett.«
Was ein bisschen beschönigt war (aber nur ein bisschen). Das kleine Wohnzimmer war mit Secondhandmöbeln vollgestopft: kariertes Sofa, gestreifter Lehnsessel, schäbiger, von Wasserflecken und -ringen übersäter Beistelltisch. Doch waren durchaus Anstrengungen unternommen worden, das etwas heruntergekommene Ambienteleicht anzuhübschen, indem jemand eine Schale mit Nüssen auf den Tisch gestellt hatte. Und auf der Kombi aus Küchentheke und Bar im Durchgang zur Küche brannte eine offenkundig funkelnagelneue Duftkerze.
»Deko«, sagte Adam, als er bemerkte, wie ich das ganze Arrangement in mich aufnahm. »Mit ein bisschen Deko wird’s gleich viel gemütlicher, findest du nicht?«
»Aber es stinkt immer noch nach Bier«, meinte Leah. Sie war gerade hereingekommen und verstaute ihr Handy in der Handtasche.
»Heißt das, du möchtest keins?«, rief Wallace ihr aus der Küche zu.
»Nein«, rief Leah zurück.
»Hab ich mir schon gedacht.« Wallace erschien mit einer Zwölferpackung Bier und drückte jedem eins in die Hand. Ich wollte eigentlich ablehnen, nahm aber doch eins, um nicht unhöflich zu sein.
»Links von dir sind Untersetzer«, sagte Adam zu Leah, während sie schwungvoll ihr Bier öffnete.
»Untersetzer?«, gab sie ungläubig zurück. »Auf dem Beistelltisch? Den sieht man doch vor lauter Ringen sowieso kaum noch.«
Er sah den Tisch und dann wieder sie an. »Nur weil etwas nicht mehr so toll in Schuss ist, heißt das nicht, dass man es respektlos
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