Dessen, S
musste, während die Stunden vergingen, ich im Büro die Belege sortierte und dabei mit dem Fuß Thisbes Kinderwagen hin und her schob.
Obwohl ich mich dagegen wehrte, fiel es mir schwer, nicht darüber nachzugrübeln, was die Nacht für Eli und mich wohl bringen würde. Das gehörte definitiv zu den Dingen, die ich bislang verpasst hatte: dieses erwartungsvolle Gefühl, wenn man an jemanden dachte. Und deshalb – obwohl ich durchaus den Eindruck hatte, als könnte diese Hotdog-Party Spaß machen und würde ohnehin gut zu meiner Mission passen: Falls Eli dort nichtauftauchen würde, wollte ich auch nicht hin. Selbst wenn es Tofuwürstchen gab.
Gegen halb neun kamen Heidi und mein Vater vorbei, um Thisbe abzuholen. Sie wurden mit lautem Hallo begrüßt.
»Wahnsinn, siehst du toll aus!«, rief Maggie. »Du bist ja schon wieder total schlank!«
»Hör auf«, erwiderte Heidi. »Ich würde momentan in nichts von dem hineinpassen, was wir hier verkaufen. Nicht einmal in die Ponchos.«
»Du hörst auf!«, konterte Esther. »Du bist die Schönste.«
»Und Thisbe auch«, fügte Leah zustimmend hinzu. »Übrigens fahren wir voll auf den Namen ab.«
»Siehst du«, hörte ich meinen Vater triumphierend verkünden. »Hab ich’s dir nicht gesagt? Der Name hat Kraft! Präsenz. Ausstrahlung.«
»Thisbes Geschichte ist allerdings ziemlich traurig«, meinte Maggie. »Sie stirbt für ihren Geliebten und ihre Seele wird zu einer Maulbeerblüte.«
Obwohl die Tür zu war, spürte ich regelrecht, wie beeindruckt mein Vater war. »Du kennst die klassische Geschichte von Thisbe?«, fragte er verwundert.
»Ich habe mal einen Kurs belegt, in dem es um Frauen in der griechischen und römischen Mythologie ging«, antwortete Maggie.
»Ich dachte, der Name kommt von Shakespeare«, sagte Heidi.
»Shakespeare hat den Stoff komödienhaft verarbeitet«, erklärte ihr mein Vater. »Aber diese junge Dame hier hatvollkommen recht. Die ursprüngliche Geschichte ist ziemlich traurig.«
»Typisch Maggie«, meinte Leah. »Expertin für alles Tragische.«
»Ist Auden hinten im Büro?«, fragte Heidi. Und schon hörte ich ein sanftes Klopfen an der Tür. Sie steckte den Kopf ins Zimmer. Als sie sah, dass Thisbe im Kinderwagen vor sich hin schlummerte, lächelte sie. »Schau dir das an. Und ich habe mir die ganze Zeit über Sorgen gemacht, ob sie wohl durchbrüllt.«
»Nein, jedenfalls nicht die ganze Zeit«, antwortete ich. »Wie war euer Abendessen?«
»Schön«, erwiderte sie. Und gähnte, wobei sie sich die Hand vor den Mund hielt. »Es war gut, dass wir zusammen ein bisschen gefeiert haben. Für deinen Vater ist das ein wichtiger Schritt. Er hat so schwer gearbeitet in den letzten Wochen.«
Ich blickte zu Thisbe hinüber. »Du auch«, meinte ich.
»Na ja.« Sie winkte ab, griff sich den Kinderwagen und bugsierte ihn durch die Tür. »Ich kann dir gar nicht genug danken, Auden, wirklich. Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal allein ausgegangen sind.«
»War wirklich kein Problem«, antwortete ich.
»Vielleicht. Trotzdem. Ich weiß es zu schätzen.« Sie sah hinaus in den Laden. »Aber jetzt bringe ich deinen Vater besser weg, solange er noch gute Laune hat. Er behauptet immer, er würde hier Kopfschmerzen kriegen. Zuviel Rosa. Ist es zu fassen?!«
Ja. War es. Ich sagte allerdings nichts, sondern nicktenur. Heidi schob Thisbe durch den Flur davon, winkte mir über die Schulter noch einmal zu.
In den nächsten zwei Stunden konzentrierte ich mich eifrig auf meine Arbeit, achtete kaum auf die Kunden, die kamen und gingen (Flipflops waren an diesem Abend aus irgendeinem Grund äußerst begehrt), den Neun-Uhr-Tanz (Elvis zur Abwechslung), die andauernde Debatte darüber, ob man zur Hotdog-Party gehen sollte oder nicht (Maggie hatte es vor, Leah nicht, Esther war hin- und hergerissen). Um Punkt zehn verriegelte ich den Safe, schloss die Bürotür ab und verließ mit den anderen die Boutique, wobei sie immer noch unaufhörlich diskutierten. Das alles gehörte mittlerweile genauso zu meinem Tagesablauf wie das, was nun folgte: dass ich mich unter einem Vorwand verabschiedete, um Eli zu suchen.
»Wir könnten doch einfach für eine Weile hingehen«, meinte Maggie. »Damit wir wenigstens da waren.«
Leah wandte sich mir zu. »Und du, Auden? Bist du dabei oder nicht?«
»Na ja«, antwortete ich, »eigentlich wollte ich …«
Ich war drauf und dran, eine von meinen Standardausreden von mir zu geben, wie
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