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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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bessere Gedächtnis hatte, stand ja wohl außer Frage. Außerdem, wer kannte meine eigene Geschichte besser als ich selbst? Andererseits konnte ich nicht mehr aufhören, über seine Worte nachzudenken. Wir bestellten, Hollis erzählte ohne Punkt und Komma von Laura und Europa, doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Denn immer wieder wanderten meine Gedanken zu jenem Tag auf der Auffahrt zurück. Das Bild stand so klar und deutlich vor mir: Wie ich aufgestiegen war, in die Pedale trat, vorwärtsrollte – es musste einfach wahr sein. Oder etwa nicht?

Zwölf
    »Ich habe gehört«, sagte meine Mutter in ihrem typischen kühlen Ton, »du hättest dich verändert.«
    Ich nahm die Zahnbürste aus dem Mund. »Verändert?«
    Dieser Tage rief sie in der Regel gegen fünf an: Wenn ich gerade aufwachte und sie Feierabend machte. Ich hätte mir gern eingebildet, es läge daran, dass ich ihr fehlte oder sie endlich merkte, wie wichtig ihr unsere Beziehung war. Gleichzeitig wusste ich leider genau, dass sie nur jemanden brauchte, um ihrem Ärger über Hollis Luft zu verschaffen, der wieder bei ihr zu Hause wohnte, immer noch bis über beide Ohren in Laura verliebt war und ihr schrecklich auf die Nerven ging.
    »Zum Positiven, falls du das meinst«, fuhr sie fort, wobei in ihrem Ton eine gewisse Skepsis mitschwang. »Der genaue Begriff, den Hollis benutzte, war ›erblüht‹.«
    Ich betrachtete mich im Spiegel: Meine Haare waren ungekämmt, mein Mund mit Zahnpasta verschmiert, ich hatte noch das T-Shirt an, das ich letzte Nacht beim Bowlen getragen hatte und das nach Rauch stank. Kein besonders »erblühter« Anblick. »Das meint er sicher nett«, sagte ich.
    »Besonders beeindruckt ist er von deinen sozialen Kontakten«, fuhr sie fort. »Anscheinend hast du tonnenweise neue Freunde und sogar einen festen Freund?«
    Daraus, dass der letzte Teil des Satzes als Frage ausgesprochen wurde, ließ sich unmissverständlich schließen, wie sie persönlich darüber dachte.
    »Ich habe keinen festen Freund«, sagte ich.
    »Du kennst nur einen Jungen, mit dem du deine Nächte verbringst.« Dieses Mal war es eine Feststellung.
    Wieder betrachtete ich mich im Spiegel. »Stimmt«, antwortete ich.
    Neben all den anderen unverhofften Veränderungen in Hollis’ Leben hatte er sich zum Frühaufsteher und Jogger gewandelt. (War das überhaupt noch derselbe Hollis? Der Mensch, der grundsätzlich bis in den frühen Nachmittag hinein geschlafen hatte?) Laura und er gingen jeden Morgen bei Sonnenaufgang laufen, und wenn sie zurückkamen, machten sie ein bisschen Yoga und meditierten. Wobei er sich offenbar nicht ganz so in seine Oms und Namastes versenkte, wie es sich gehörte. Denn als er am Morgen nach ihrer Ankunft mitkriegte, wie ich heimkam, stürzte er sofort aus dem Wohnzimmer, um mich auszuquetschen.
    »Auden Penelope West!« Er zeigte anklagend mit dem Finger auf mich. »Ist es zu fassen: ein Bild der Schande. Schämst du dich wenigstens?«
    »Nein, überhaupt nicht«, erwiderte ich. Wobei ich mir wünschte, er würde etwas leiser sprechen.
    »Und wer ist der junge Mann, der dich hergebracht hat?« Hollis schob den Vorhang beiseite, um einen Blickauf Eli zu werfen, der seinen Truck soeben von unserer Auffahrt auf die Straße zurücksetzte. »Wäre es nicht angemessen, dass er sich vorstellt und meine Erlaubnis einholt, bevor er dich ausführt und dir schöne Augen macht?«
    Ich warf ihm einen entnervten Blick zu. Aus dem Wohnzimmer drang Lauras Mantra-singende Stimme zu uns.
    »Meine kleine Schwester«, meinte Hollis betont missbilligend. »Treibt sich die ganze Nacht mit einem Kerl rum. Dabei hast du gestern noch mit Barbiepuppen gespielt und bist seilgehüpft.«
    »Hollis, bitte«, sagte ich. »Für Mom waren Barbiepuppen gefährliche Waffen des Chauvinismus und Seilhüpfen macht seit 1950 auch kein Mensch mehr.«
    »Ich fasse es nicht.« Er ignorierte meinen Einwurf. »Du wirst so schnell erwachsen. Ehe wir’s uns versehen, bist du verheiratet und spielst mit deinen Kindern Hoppe-hoppe-Reiter.«
    Das wiederum ignorierte ich und ging an ihm vorbei die Treppe hoch. Was ihn nicht davon abhielt, weiter zu nerven, weder an jenem Morgen noch an den darauf folgenden. Er schaffte es jedes Mal, zur Stelle zu sein, wenn ich nach Hause kam, hielt mir die Tür auf, saß eines Morgens sogar auf den Stufen zur Veranda, als wir vorfuhren, und zwang mich so, ihm Eli vorzustellen.
    »Netter Typ«, meinte er, als ich es endlich geschafft hatte, ihn von Eli

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