Deus Ex Machina - Teil 1: Thriller
echter Kotzbrocken sein, Philip.“
Sie hastete Stefan, der bereits im Treppenhaus verschwunden war, hinterher. Ich blieb allein in der Küche zurück.
Meine Frage war unangebracht gewesen. Zumindest übereilt. Von der Hand zu weisen war sie allerdings nicht. Wer kam denn sonst in Frage? Jansen von der Spurensicherung hatte gesagt, dass sie die Wohnungstür überprüft und keinen Hinweis auf ein gewaltsames Eindringen finden konnten. Wenn zum Zeitpunkt des inszenierten Selbstmords eine zweite Person in der Wohnung war, hatte Frank ihr aus freien Stücken den Zugang gewährt. Aber warum? Brauchte er einen Beistand? Eine Art Euthanasie? Dann wären nach meinem Empfinden nur drei Personen in Frage gekommen: Stefan Marcks, Jan Lohoff und in erster Linie ich selbst. Wie hätte ich reagiert, wenn Frank mit diesem Wunsch zu mir gekommen wäre? Gab es Argumente, die einen Menschen dazu bewegen könnten, den Selbstmord des besten Freundes nicht nur zu dulden, sondern sogar zu filmen?
Ich war überzeugt, dass ich Frank mit aller Macht von diesem Schritt abzuhalten versucht hätte. Jeder, der ihm nahestand, hätte das getan. Wenn jemand in der Wohnung war, dann hatte dieser Jemand Druck ausgeübt. Und dann war es kein Selbstmord mehr. Dann war es Mord! Und Frank musste seinen Mörder gekannt haben, andernfalls hätte er ihn nicht in die Wohnung gelassen. Musste ich den Kreis der Verdächtigen vergrößern? Vielleicht war es nur ein harmloser Besuch? Jemand klingelt. Frank lässt ihn herein. Ein Kommilitone? Ein Cousin oder Onkel? Die Zeugen Jehovas? Aus all den in Frage kommenden Kandidaten die Person herauszufiltern, die für Franks Tod verantwortlich war, glich der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und das Motiv? Rache für den Mord an Pape?
Die Wohnungstür wurde aufgeschlossen. Eva betrat, gefolgt von Stefan, wieder die Küche. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich freuen oder ärgern sollte, und entschied mich, zumindest für den Augenblick, für einen Waffenstillstand.
„Ich bin übers Ziel hinausgeschossen. Das war nicht fair, entschuldige.“
„Nein, nein! Du hast ja völlig Recht!“ Stefans Gesichtsausdruck war unschwer zu entnehmen, dass er noch immer aufgebracht war. „Ich bin in höchstem Maße verdächtig!“
„Angenommen, Frank war wirklich drogensüchtig und hat im Rausch einen Menschen ermordet“, spekulierte Eva. „Dann muss er, wieder bei Sinnen, heftige Gewissensbisse gehabt haben. Vielleicht hat das jemand ausgenutzt. Vielleicht hat der Unbekannte Frank gedroht, zur Polizei zu gehen, und ihm wahre Schreckensszenarien über die Folgen vor Augen geführt.“
„Das ist doch Bullshit.“ Stefans Aggressivität schien nicht nachlassen zu wollen. „Frank hat den Mord an Pape in dem Video doch selbst gestanden. Wie hätte man ihm da mit Denunziation drohen können?“
„Wieso willst du auf Teufel komm raus an der Selbstmordthese festhalten?“, fragte ich. „Ist es so unvorstellbar, dass er gar nichts zu gestehen hatte? Warum fällt es dir so schwer, an Franks Unschuld zu glauben?“
„Seine Unschuld ?“ Stefan lachte auf. „Moment mal, ganz langsam, Philip. Willst du etwa andeuten, dass Frank den Mord an Pape gar nicht begangen hat? Seine Fingerabdrücke waren auf dem Messer, schon vergessen? Überall in Papes Wohnung hat man Hinweise auf Franks Anwesenheit gefunden.“
„Und wenn schon. Dann ist er halt in der Wohnung gewesen. Was beweist das schon? Pape ist an einer Kopfverletzung gestorben. Nicht an Schnitt- oder Stichwunden.“
„Okay, Philip, mag sein, dass ich Frank nicht so gut gekannt habe wie du. Wenn dich das besser schlafen lässt, bitte, meinetwegen. Aber genau da liegt dein Problem.“
„Was soll das heißen?“
„Vielleicht beweist die Sache mit der Kamera, dass Frank nicht allein gewesen sein kann. Einverstanden. Aber mit dem Mord an Pape hat das nicht das Geringste zu tun. Frank hat Pape getötet. Dafür gibt es Beweise. Willst du uns ernsthaft weismachen, Frank sei zwar in Papes Wohnung gewesen, aber das Tranchiermesser hat er nur so zum Spaß in der Hand gehabt? Und dann spaziert einige Tage später Papes wahrer Mörder in eure Wohnung und zwingt Frank zum Selbstmord? Merkst du eigentlich gar nicht, wie dämlich sich das anhört?“
Eva nestelte an einem ihrer zahlreichen Ohrringe. „Auf die Art kommen wir nicht weiter“, sagte sie und kraulte Churchill, der es sich auf ihrem Schoß bequem gemacht hatte, hinter den Ohren. „Die Geschichte mit dem Camcorder
Weitere Kostenlose Bücher