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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Degas
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schlief sie ein. Die Kerze erlosch.
     Ich
verlor mich in ihrem Antlitz. Unendlich lange wagte ich es nicht, meine Lider
zu schließen. Ich wollte sie nicht noch einmal verlieren. Dann geschah es doch.
     Wie
im Zeitraffer spülte das Empfinden meine Erinnerungen aus mir raus. Leinwände
bauten sich vor mir auf: der Besuch bei Quentin, das Erwecken des Neuanfangs,
beginnend mit einigen Millilitern Blut in einer Spritze. Die gute Nachricht, in
dunkelster Nacht. Die Zeugung eines Wunders, in überschwänglicher Lust. Neun
Monate, so viele Veränderungen. Aus Unscheinbarem entwuchs etwas bisher nicht Dagewesenes.
Was klein war, wird groß. Das Glück trägt erste Früchte. Es lernt schmecken,
riechen, tasten, sehen. Das weiße Lamm entsteigt dem Schoß. Die Sonne tief im
Herzen verborgen.
     Ich
nahm Zoë an mich, hielt sie vor meine Brust, wollte ihr Schutzschild sein, aber
sie war meines. Sie fixierte mich mit allem, was sie hatte. Ihr Strahlen ließ
mich unachtsam werden.
     Ich
bemerkte die Gefahr nicht.
     Ein
Schatten fiel über uns. Ein Schlag traf meinen Hinterkopf, ließ ihn
explodieren. Ich verlor das Gleichgewicht. Meine Sinne lösten sich auf. Ich
fiel. Niemand fing mich. Meine Augen klappten zu, wie ein Buch, am Ende einer
Geschichte. Zoë weinte, ich hörte sie nicht.

 
     
     
     
     
     
     
     
    5
     
     
     Blut
ist dicker als Wasser. Es hält uns zusammen, entschließt sich zu bleiben oder
zu gehen. Fließt es, so hat es ein Ziel. Wir sehen es, sehen es nicht,
verlieren es, aber verlieren es nie aus den Augen. Es ist in uns. Rufen wir es,
so kommt es.

 
     
     
     
    12. März 2066, plus 9 Jahre
     
     
     Der
Verlust ist schmerzhaft. Man verliert seinen Verstand in ihm, verändert sich,
wird nie wieder derselbe. Er ist das Pendel, dessen Schwingen niemals
verstummt.
     Man
versucht sich einzureden, dass es nur ein Traum ist und man bald erwachen wird.
Dass einem ein neuer Tag erwartet, man wohlbehütet neben den Menschen, die man
liebt, aufwacht. Stattdessen spürt man den Schlag, der die Zukunft wie ein
Kartenhaus zusammenstürzen lässt.
     
     Sie
sperrten mich in eine Arrestzelle, Einzelhaft. Sie sagten mir nicht, warum ich
hier war. Sprachen nicht mit mir. Eine Anhörung gab es nicht, die Verurteilung
war das Schließen der Zellentür – das Klicken des Schlosses im Scharnier.
     Hinter
dicken Maurern fristete ich ein Dasein als Gefangener. In qualvoller Pein saß
ich inmitten von Dieben, Mördern, Vergewaltigern und Aufständigen; schuldigen
und unschuldigen Phantomen, die man nur wahrnahm, wenn man selbst zu ihnen
gehörte. Hier drinnen waren alle gleich.
     Die
Einheit verstand ihren Job. Für Recht und Ordnung zu sorgen, in einer Stadt, wo
das Recht das Fallbeil und die Ordnung der abgetrennte Kopf war. Man nannte es
zweckdienlich; ich empfand es als schändlich.
     Jede
Minute war ich in Gedanken bei meiner Zoë. Sie war mein Antrieb, der mich
hoffen ließ. Ich wusste, gab ich mich auf, gab ich auch sie auf. Sie war
irgendwo da draußen, frei, aber eingesperrt. Eine Waise unter vielen. Meine
Existenz war ihr unbekannt. Doch jemand sorgte sich um sie; nicht nur ein
gebrochener Mann in einer Zelle.
      Im Arrest hatte ich viel Zeit zum
Nachdenken gehabt. Ich malte mir aus, was ich tun würde, sobald die Freiheit
mich wieder hatte. In mir manifestierte sich der Wunsch, Zoë zu finden. Ich
hatte Mel verloren – wusste, dass sie tot war – wollte aber die Hoffnung nicht
aufgeben, dass zumindest Zoë noch lebte. Jeder Tag endete mit einem kleinen
Gebet, für ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit.
     
      Neun Jahre war dies nun her. Neu New
York hatte sich verändert. Es war alt und gebrechlich geworden. Wie ein
Skelett, welches unter der Erde langsam zerfiel. Die Stadt bewahrte ihren
Schein durch den Einsatz von Technik. Sie war das fünfte Element im Kampf gegen
Stagnation und Zerfall.
     Das
Präsidium, die Heimat der Exekutive und der Einheit, meine Heimat für die
letzten Jahre, bildete die Kommandozentrale des Ganzen. Schwarzer Stahl bohrte
sich in die Wolken, bedrohlich vor einem aufragend. Die Fassade glänzte in den
Lichtern rundherum. Es war ein Bauwerk für alles: Entscheidungen und
Handlungen, Pläne und Ausführungen – hier schlummerten zukünftige Ideen unter
einer meterdicken Schicht aus vorher festgelegten Machtverhältnissen.
     Ich
taumelte in eine neue Welt, die finster auf mich herabblickte. Es war der
neonbeleuchtete Moloch, wie vor meiner Inhaftierung. Nur kam es mir

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