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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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er.«
    »Normal dürfte ditt ja jani’ sein.«
    »Ditt darf allet jani’ wahr sein!«
    »Watt?«
    »Normal jehörten die alle längst …«
    »Ostzeiten … Ostzeiten …«
    »Zu Vorwendezeiten –«
    »Zu Nazizeiten –«
    »Du Arschloch.«
     
    Überm Tresen sah ich den Torwart Tim Wiese neben den Ball greifen. Anschlusstreffer. Wie schön das aussah, den scheußlichen Tim Wiese neben den Ball greifen zu sehen. Also notierte ich das in mein Buch.
     
    Ich schrieb gerade, Hut auf dem Kopf, Rücken zum Lokal, als mir ein großer Arm über die Schulter griff, das Notizbuch aus den Händen nahm und, mein Buch vor seinen Bauch haltend, anfing, darin herumzublättern und zu lesen. Es war der Zwei-Meter-Mann mit Hosenträgern, der eben noch auf der Bank am Stammtisch gelegen hatte.
    Es ging nun eine brutale Hektik von dem Riesen aus. Er wollte das lesen, er wollte das verstehen, was ich da in mein Notizbuch geschrieben hatte.
    Er blätterte vor und zurück.
    Er legte einen Finger in das Buch, beugte den Kopf vor,
    las.
    Er fragte: »Was machst du da? Was schreibst du denn da
    auf?«
    Der ganze Stammtisch guckte.
    Der Riese stellte sich vor mich hin und hielt mir das Notizbuch vors Gesicht. Als wollte er, dass ich ihm meine Notizen vorlese.
     
    »Bist du Journalist?«
    Er legt mir einen Arm auf die Schulter, sah mich an: »Du machst uns doch keinen Ärger?«
     
    Ich tat so, als wäre es in Ordnung und auch absolut in meinem Sinne, dass der Riese mein Notizbuch in den Händen hielt: bitte. Das ist kein Geheimbuch. Da kann jeder drin lesen. Auch du, Riese.
    Dann sprach ich mit fester Stimme und einem leichten Zug ins Irre – der Riese sollte eine Nummer vorgeführt bekommen, die ihm zu weit ging, er sollte nichts begreifen, außer dass mein Selbstbewusstsein in Ordnung war.
    Ich sprach:
    »Ich bin so ein Mitschreiber, weißt du? Ich schreibe alles mit. Alles! Alles! Wie so ein Verrückter. Verstehst du.«
    Ich zeigte, vollkommen sinnloserweise, nach oben auf den Fernseher.
    Der Riese machte noch einen Leseversuch. Vielleicht las er meine Notiz über den Werder-Torwart Tim Wiese. Er hielt mir das Notizbuch hin:
    »Sportreporter?«
    Ich sagte: »Nö.«
    Der Riese: »Sag ich doch.«
    Er wiederholte seine Ansage: »Mach uns bloß keinen Ärger.«
    Ich tönte, wobei ich Gefahr lief, mit meiner Nummer einen Tick zu weit zu gehen: »Ich mache sicher keinen Ärger, woher denn.«
    Ein kleines noch, Hansi.
    Der Riese schwankte davon und hatte den Platz bei den Seinen wieder eingenommen.

[Menü]
7 Blocky kommt
    Es betrat nun der eine der beiden Männer das Lokal, mit denen ich in den folgenden zwei Stunden in der Ecke links am Eingang stehen und mich unterhalten sollte. Er blickte, noch im Windfang, zum Fernseher hoch und fragte: »1:3? 2:3? Warum ist denn hier kein Ton?«
    Hansi, den Zapfhahn ziehend: »Schöne Molle, Blocky?« Und Blocky griff den Hocker neben mir und sprach:
    »Ich kenne alle hier, dich kenne ich nicht. Du bist nicht aus der Gegend, richtig?«
    Er hielt die Rechte zur Begrüßung hin, während die Linke schon das Bierglas zum Mund führte:
    »Christian Block, Blocky genannt, aber bitte mit y, nicht mit i. Mich kennen alle hier, ich bin hier Ureinwohner.«
    Und Blocky erzählte gleich eine Menge: Er sei gelernter Rettungsassistent, habe diesen Beruf auch zwanzig Jahre lang ausgeübt. Vor gut einem Jahr habe es ihn erwischt, er sei beim Obstpflücken von der Leiter gefallen, seither habe er einen steifen Fuß. Jetzt lerne er um, das Programm heiße »Rehabilitation/Rückkehr ins Arbeitsleben«, der Job, den er später einmal machen wolle, Key-Account-Manager, da sei er, sofern alles gut lief, bald Kundenbetreuer am Telefon oder mit dem Auto im Außenhandel unterwegs. Er mache gerade einen Englischkurs, erzählte Blocky, weshalb er ab und an ganz gerne einen Witz auf Englisch reiße.
    Ja.
    Es musste nun auf Englisch ein ziemlich bitterer Witz erzählt werden, dann, wie so oft bei Witzen, gleich noch einer hinterher. Seine Äuglein funkelten.
    Von was er gerade lebe? Das sei kein Geheimnis, erklärte Blocky. Da könne er, der Reporter, so ziemlich jeden in der Kleinstadt fragen – der Reporter bekäme fast immer dieselbe Antwort: von jar nüscht. Von Hartz IV. Er sei, so Blocky, für die Übergangszeit von drei Monaten auf diese Art der Unterstützung angewiesen. Dann käme, da sei er zuversichtlich, das Geld wieder von woanders rein.
     
    Eine neue Nüchternheit zog in mir hoch, vielleicht, weil ich den Stress

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