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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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sympathischste Wahlplakat hatte. Großer Melancholie-Anfall: Ja, kämpfen wir doch alle einfach. Kämpfen musste ja so schön sein. Gemeinsam kämpfen mit Wuschel-Krause.
     
    An der Fassade der Alten Eiche wurde das PremiereSportsbar-Schild abgeschraubt und an seiner Stelle das Schild mit dem neuen Firmennamen Sky, weiße Schrift auf schwarzem Grund, angebracht: So hatte sich in der Kleinstadt die maßgebliche Medien-Innovation des Jahres vollzogen. Bei den Herren vom Backstein trank ich einen Cappuccino und aß einen nach Großstadt schmeckenden Käsekuchen, und ich bekam, während ich den Käsekuchen im Mund hatte, gleich wieder so einen herrlichen und kreisrunden Hass auf die niedliche, kleine Pusselwelt, die sich die beiden Herren mit ihrem Backstein hier eingerichtet hatten (aber das war ja unfair und ganz falsch und überflüssig, und so ließ ich’s mit dem Hass wieder bleiben). In den Räumen der Vinothek stellte eine Genia Frohberg aus Berlin Bilder und Collagen zum Thema »Sack und Seide« aus.
    Am Telefon fragte ich Rampa, ob ich den Kumpel, der sich ein okayes Leben mit Schwarzarbeit mache, mal auf seiner Baustelle besuchen kommen könnte. Es war ihm nicht recht. Der sei dort Vorarbeiter, so Rampa, das hieß, dass er dort andere anzuleiten habe: derzeit etwa sieben Mann. Da käme es nicht so gut, wenn er, Kumpel auf der Baustelle, fremden Leuten Guten Tag sagte.
    Von Eric kam die Nachricht, dass er – als Einziger der Jungs – als Komparse bei den Dreharbeiten von Black Death angenommen war. Die Produktionsfirma hatte sich per E-Mail bei ihm gemeldet: Bitte Kopie vom Personalausweis und Sozialversicherungsnummer zukommen lassen. Eric stolz: »Der Fuffiist nebensächlich. Hauptsache, ich mache mal bei einem Film mit.« Ich gratulierte.
     
    Raoul rief an und erzählte, dass er am Nachmittag nach unserem Besäufnis durch die Lkw-Theorieprüfung gefallen sei. Elf Fehlerpunkte waren einer zu viel gewesen: »So eine Scheiße.« Ja, Scheiße. Beim nächsten Anlauf, dem dritten und letzten, käme er aber garantiert durch. Sonst müsse er 250 Euro zahlen und stünde da wie Max in der Sonne. Wie Max in der Sonne! Viel Glück, Raoul.
     
    Ich ging zum Fluss runter, weil an Flussufern, das wusste doch jeder, immer mehr möglich war als an anderen Stellen auf der Welt, an denen der Fluss nicht zu sehen war.
    Die Havel.
    Wer alle Tassen im Schrank hatte, der musste doch abends noch mal zum Fluss hinunter, der musste zur Havel gehen.
    The Schwäne.
    Boote aus Minden, aus Braunschweig, aus Münster hatten an der Schleuse festgemacht.
    Still und schwer und dunkel stand der Fluss da, nein, er floss langsam dahin.
    Es havelte.
    Hier, mit dem Blick auf den Fluss, hoffte ich, dass ich noch einmal nichts gesehen und niemanden kennengelernt hatte. Die Geschichten sollten alle noch einmal ganz von vorne beginnen.
    Der Fluss fragte mich noch einmal, ob ich nicht mit ihmaus der Stadt hinaustreiben wollte, in aller Stille, Friedlichkeit. Aber ich durfte nicht mit.
    Das sagte ich dem Fluss, damit er mir gewogen blieb. Noch war es nicht so weit. Ich, Reporter, musste noch ein bisschen bleiben.
     
    Wieder oben in der Stadt sah ich Pantau seine leere Bierflasche über dem Bürgersteig ausschütteln. Dann verstaute er sie, Flasche für Flasche, in der Stofftasche. Es war eine gleichermaßen sinnlose wie mit größter Sorgfältigkeit ausgeführte Betätigung, vielleicht sah sie deshalb schön aus. Einige Tropfen fielen auf die Straße. Ich sprach Pantau nicht an. Wenigstens die Penner hatten das Recht, vom Reporter nicht interviewt zu werden.
     
    Im Spielcasino: Die Frau hinter der Theke bemerkte sofort, dass ich nicht zum Spielen gekommen war. Sie sagte nichts. Starrte. Als auch ich einen Guten Abend verweigerte, fragte sie: »Watt is?«
    Ich: »Nüscht weiter.«
    Frau: »Na, denn is jut. Wir schließen nämlich bald.«
    Mir kam die Unfreundlichkeit der Kasino-Frau vollkommen sinnlos vor, und aus einer Laune heraus bellte ich zurück – der sinnlosen Unfreundlichkeit musste mit einer sinnlosen Unfreundlichkeit begegnet werden: »Verstehst du. Du kannst deinen Laden von mir aus auch gleich ganz dichtmachen.«
    Sie guckte. Wusste einen Moment lang auch nicht.
    Schwieg dann besser.
    Es war kurz nach zehn.
     
    Auf einem Drehstuhl vor einem Spielautomaten sah ich Crooner sitzen. Er sah ziemlich lässig aus: Aschenbecher auf dem Knie, Zigarette in einer Hand, die rechte Hand tappte auf den Tasten herum. Ein Traumschwiegersohn im

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