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Deutsche Geschichte

Deutsche Geschichte

Titel: Deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Mai
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beginnt
    Es waren auch und gerade Gelehrte, denen das ausgehende Mittelalter finster erschien. Deshalb wandten sie den Blick zurück in eine Zeit, die ihnen heller vorkam. Von Italien ausgehend, erwachte ein neues Interesse am Altertum. Schriften, Bildnisse und Bauwerke der römischen und griechischen Vergangenheit wurden wiederentdeckt. Daran wollte man anknüpfen, um die Finsternis der eigenen Zeit zu überwinden. Durch die Wiedergeburt, die »Renaissance«, der Antike sollte eine neue Zeit beginnen.
    Die mittelalterlich-christliche Auffassung, dass das Leben nur den einen Sinn habe, sich auf das Jenseits vorzubereiten, galt nicht mehr. Man wandte sich dem Diesseits zu und stellte den Menschen in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen und künstlerischen Interesses. Ausgehend vom antiken Menschenbild, wurde der Mensch wieder als ein Wesen gesehen, das nicht nur Teil eines Ganzen ist, sondern seinen Zweck in sich selbst hat. Die Gebildeten suchten Antworten auf Fragen und Probleme nicht mehr in der Bibel und bei den Kirchenvätern, sondern bei den Philosophen und Dichtern der Antike.
    Diese geistige Bewegung, die sich von Florenz über ganz Europa ausbreitete, nennt man »Humanismus«. Die Humanisten gewannen neue Erkenntnisse, indem sie den Menschen und die Natur beobachteten und erforschten – und nicht immer war die Kirche mit diesen Erkenntnissen einverstanden. Die ihr am wenigsten genehmen versuchte sie sogar zu verbieten, so zum Beispiel Nikolaus Kopernikus’ Entdeckung, dass die Erde nicht im Mittelpunkt des Universums steht.
    Dass die neuen Gedanken und Erkenntnisse schneller als früher verbreitet werden konnten, war dem Mainzer Johannes Gutenberg zu verdanken. Um 1450 war es ihm gelungen, Bücher mit beweglichen Buchstaben aus Metall zu drucken. Das ging viel schneller und war viel billiger, als die Bücher mit der Hand abzuschreiben. Bald gab es in Deutschland und überall in Europa Druckereien, die Bücher, Bibeln und andere Schriften druckten. Trotzdem waren die Bücher noch so teuer, dass nur wenige Leute sie kaufen konnten. Schneller unters Volk kamen kleine Schriften und vor allem Flugblätter, die in den Städten viele Leser fanden. Auf dem Land konnten erst wenige Leute lesen. Die aber lasen den anderen vor, sodass die Gedanken der Humanisten mit der Zeit überall bekannt wurden.
    Der bedeutendste Humanist jener Zeit war Erasmus von Rotterdam. Der hoch geachtete Gelehrte sah in einer Verbindung von antiker Vernunft und christlicher Frömmigkeit die größte Chance für eine menschlichere Welt. Deswegen forderte er Bibelübersetzungen in alle Sprachen und unterschied sich damit »von denen, die nicht wünschen, dass die Heilige Schrift von Laien in der Volkssprache gelesen werde. Als ob Christus so verwickelte Dinge gelehrt, dass er kaum von einem kleinen Häuflein von Theologen könnte verstanden werden. Oder als ob der Schutz der christlichen Religion darin bestände, dass man nichts von ihr wisse. Die Geheimnisse der Könige zu verhüllen mag vielleicht vorteilhaft sein; Christus aber wünscht, dass seine ›Geheimnisse‹ möglichst weit verbreitet werden.«
    Im Gegensatz zu Erasmus dachte der humanistisch gebildete Ritter Ulrich von Hutten eher national. Er war ein leidenschaftlicher Gegner des Papsttums und träumte von einem deutschen Reich, in dem ein starker Kaiser, getragen von der Ritterschaft, regieren sollte. In seinen Schriften benutzte Hutten als einer der wenigen Humanisten die deutsche Sprache, um die Abgeschlossenheit der »elitären humanistischen Gelehrtenrepublik« zu durchbrechen.
    Aus Italien kam um 1500 auch der lange verschollene Text der Germania des Tacitus. Für die deutschen Humanisten war dieser Text sehr wichtig. In ihm berichtete ein großer römischer Schriftsteller, eine hohe Autorität also, dass die Germanen schon seit Christi Geburt ein Volk waren. Was Tacitus mit »Germanen« genau gemeint hatte, fragte niemand. Hauptsache, es gab einen Beweis für die Wurzeln des deutschen Volkes. Zum ersten Mal in der Geschichte bildete sich nun so etwas wie ein deutsches Nationalbewusstsein heraus – auch wenn zu einer deutschen Nation noch viel fehlte.

Vom rechten Glauben
    Trotz Renaissance und Humanismus lebten mittelalterliche Traditionen in Deutschland noch lange fort. Für die große Mehrheit der Menschen änderte sich durch die neuen Ideen und Erkenntnisse erst einmal nichts. Und an Veränderungen war vor allem die Kirche auch überhaupt nicht interessiert. Wer an

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