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Deutsche Geschichte

Deutsche Geschichte

Titel: Deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Mai
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wurde das dreigliedrige Schulsystem eingeführt. Die Einführung der achtjährigen »Volksschule« mit einer Schulpflicht für alle Kinder war ein großer Fortschritt und führte dazu, dass in Deutschland bald mehr Kinder lesen und schreiben konnten als in allen anderen Ländern. Trotzdem blieb es für Arbeiter- und Bauernkinder schwer, in der Gesellschaft aufzusteigen, was »oben« auch nicht gewünscht wurde. Kaiser Wilhelm II. ordnete an, dass »die Schule durch Pflege der Gottesfurcht und der Liebe zum Vaterland die Grundlage für eine gesunde Auffassung auch der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu legen habe«. Jeder solle wissen, wo sein Platz ist, und nur die für seinen Beruf nötigen Kenntnisse erwerben.
    Da der Platz der Frauen durch die drei »K« Kinder, Küche, Kirche festgelegt war, sollten sie auch nur lernen, was sie dafür brauchten. Rechtlich war die Frau dem Mann untergeordnet und sozial von ihm abhängig. Viele Frauen sahen es als natürlich an, von der Obhut des Vaters in die des Ehemannes übergeben zu werden. Ihre große Angst war, als »alte Jungfer« sitzen zu bleiben.
    Nur sehr langsam änderte sich an der Benachteiligung von Mädchen und Frauen etwas. Mutige, kluge Frauen wie Luise Otto-Peters, Auguste Schmidt, Hedwig Dohm, Helene Lange und Clara Zetkin gründeten Frauenvereine und Frauenzeitschriften, in denen sie mehr Rechte forderten. »Menschenrechte haben kein Geschlecht« lautete dabei der Wahlspruch von Hedwig Dohm.
    Ab 1892 durften Mädchen erstmals in Preußen an Jungengymnasien die Reifeprüfung ablegen. Studieren durften sie allerdings erst zehn Jahre später. Und 1908 durften Frauen auch politischen Vereinen und Parteien beitreten, ohne jedoch wählen und gewählt werden zu können. Zwar forderte die SPD seit 1891 das Wahlrecht für Frauen, konnte es allerdings erst 1918/19 durchsetzen.

Ein »Säbelrassler« auf dem Thron
    Kaiser Wilhelm I. starb 1888. Weil sein Sohn Friedrich III. nur drei Monate nach der Thronbesteigung an Kehlkopfkrebs starb, wurde sein Enkel Wilhelm II. im »Dreikaiserjahr« schon mit 29 Jahren Kaiser. Er musste also nicht viele Jahre geduldig auf den Thron warten, Jahre, in denen er reifer, ruhiger, gelassener, vielleicht sogar weiser hätte werden können. Nein, der junge Wilhelm stand plötzlich an der Spitze des Reiches. In diesem Reich war er aufgewachsen, hatte als kleiner Junge die Reichsgründung, dann den wirtschaftlichen Aufschwung und den Weg zur europäischen Großmacht miterlebt. Immer größer, immer schneller, immer besser, immer mehr, lautete die Devise. Immer nur Erfolge und Siege, keine Niederlagen. So würde es immer weitergehen, so musste es immer weitergehen, das war für Wilhelm völlig klar. Jetzt war es sein Reich und er wollte darin bestimmen. Nicht der Kanzler und nicht der Reichstag, den er ohnehin für ein lästiges Übel hielt. »Ich führe euch herrlichen Zeiten entgegen!«, verkündete er.
    Und nicht nur die Politik, auch Wissenschaft und Kunst sollten nach der Pfeife des jungen Kaisers tanzen. »Eine Kunst, die sich über die von Mir bezeichneten Gesetze und Schranken hinwegsetzt, ist keine Kunst mehr. Die Kunst soll mithelfen, erzieherisch auf das Volk einzuwirken, sie soll den unteren Ständen nach harter Mühe und Arbeit die Möglichkeit geben, sich an dem Idealen wieder aufzurichten. Wenn nun die Kunst, wie es jetzt vielfach geschieht, weiter nichts tut, als das Elend noch scheußlicher hinzustellen, wie es schon ist, dann versündigt sie sich damit am deutschen Volk.«
    Sozialkritische »Naturalisten«, Schriftsteller, die die Welt so zeigen wollten, wie sie wirklich war, wurden verdächtigt, mit den Sozialdemokraten gemeinsame Sache zu machen und damit wie diese »Vaterlandsfeinde« zu sein. Als Ger- hart Hauptmanns Drama Die Weber 1892 erschien, durfte es an den Theatern nicht aufgeführt werden.
    Auch Künstler wie Wassily Kandinsky, Franz Marc und Paul Klee, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts neue Ausdrucksformen suchten, waren unerwünscht. Die Kunst hatte deutsche Größe und Größen aus Vergangenheit und Gegenwart darzustellen, am liebsten in kolossalen Denkmälern und riesigen Gemälden.
    Der »Drang nach Größe« war auch das Schlagwort für Wilhelms Außenpolitik. Der alte Reichskanzler mit seiner fein gesponnenen Bündnispolitik, die ein Gleichgewicht der Kräfte in Europa geschaffen hatte, war nicht der richtige Partner für den neuen Kaiser, der »mit Volldampf voraus« wollte, wie er zu

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