Deutsche Geschichte
Hindenburg auf Drängen Hitlers die »Verordnung zum Schutz von Volk und Staat«, in der praktisch alle Grundrechte »zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte bis auf weiteres außer Kraft gesetzt« wurden. Diese Verordnung, die bis 1945 in Kraft blieb, begründete den permanenten Ausnahmezustand im Deutschen Reich. Nun konnte das NS- Regime »legal« gegen alle und alles vorgehen.
In diesem Klima wurde am 5. März ein neuer Reichstag gewählt. Obwohl die NSDAP von der Industrie für den Wahlkampf viel Geld erhalten und alle Machtmittel des Staates eingesetzt hatte, erhielt sie bei dieser letzten halbwegs freien Wahl nur 43,9 % der Stimmen. Das war für sie sehr enttäuschend. Joseph Goebbels aber schrieb in sein Tagebuch: »Was bedeuten jetzt noch Zahlen? Wir sind die Herren im Reich und in Preußen.«
Weil Hitler jedoch großen Wert auf den Anschein legte, nach Recht und Gesetz zu handeln, ließ er das so genannte »Ermächtigungsgesetz« vorbereiten. Es sollte die Regierung ermächtigen, Gesetze, die sogar von der Verfassung abweichen konnten, ohne Mitwirkung von Reichstag und Reichsrat zu beschließen. Durch die Streichung der 81 KPD-Mandate und Versprechungen an die bürgerlichen Parteien erreichte Hitler die für das Gesetz erforderliche Zweidrittel-Mehrheit im Reichstag. Nur die SPD stimmte trotz aller Einschüchterungsversuche dagegen. Ihr Vorsitzender Otto Wels hielt eine letzte mutige Rede: »Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Wir Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.«
Otto Wels hatte Recht: Vernichten konnten diese Ideen nicht einmal die Nationalsozialisten. Aber sie konnten sie außer Kraft setzen, wie sie alles außer Kraft setzten, was ihnen im Weg stand.
Am 31. März legte Hitler ein »Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich« vor. Die Länderparlamente wurden ohne Neuwahlen nach dem Verhältnis der Reichstagswahl umgebildet, und eine Woche später wurden an Stelle der Ministerpräsidenten »Reichsstatthalter« eingesetzt. Damit war die Selbstständigkeit der Länder praktisch aufgehoben. Aus dem seit jeher bundesstaatlich aufgebauten Deutschen Reich wurde ein zentralistischer Einheitsstaat. Um den Eindruck zu erwecken, dieser Staat knüpfe an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und an das Deutsche Kaiserreich an, wurde er »Drittes Reich« genannt.
Als Nächstes wurden die Gewerkschaften und die SPD verboten, viele ihrer Funktionäre in »Schutzhaft« genommen und in Straflager gesperrt, die man zu diesem Zweck errichtete und »Konzentrationslager« nannte. Die bürgerlichen Parteien lösten sich unter Druck »freiwillig« auf. Am 14. Juli wurde das »Gesetz gegen die Neubildung von Parteien« erlassen. In Deutschland gab es nur noch die NSDAP.
Auf dem Weg in den totalitären Führerstaat
Schritt für Schritt erfasste und beherrschte Hitlers NSDAP alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens: Deutschland wurde zum »totalitären« Führerstaat, in dem die Nationalsozialisten kein Mittel scheuten, um ihre Ziele zu erreichen. Nicht einmal vor der Ermordung langjähriger Weggefährten schreckten sie zurück. Als der SA-Chef Ernst Röhm die Verschmelzung seiner Truppe mit der Reichswehr und damit mehr Macht für sich wollte, befahl Hitler im Juni 1934, die gesamte SA-Führung zu ermorden. Damit sicherte er sich endgültig das Wohlwollen der Reichswehr, die er für den Krieg brauchte, den zu führen er längst beschlossen hatte.
Als Hindenburg am 2. August 1934 starb, übernahm Hitler einfach das Amt des Reichspräsidenten, wurde damit gleichzeitig Oberbefehlshaber der Reichswehr und nannte sich »Führer des Deutschen Reiches und Volkes«. Alle Soldaten und Beamten mussten ihren Treueeid auf die Person Adolf Hitlers leisten.
Wie die absolutistischen Monarchen vereinigte Hitler nun alle Macht in seiner Hand. Doch damit war er noch nicht zufrieden. Er wollte die Menschen ganz beherrschen, wollte auch Macht über ihr Denken und Fühlen. Darum legte er großen Wert auf die Erziehung der Jugend. In seinen eigenen Worten:
»Diese Jugend, die lernt ja nichts anderes als deutsch denken, deutsch handeln. Und wenn so diese Knaben, diese Mädchen mit ihren zehn Jahren in unsere Organisationen hineinkommen und dort nun
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